Je sueßer das Leben
Diejenigen, die man ihnen nach wie vor heimlich vor die Haustür legt, landen sofort in der Mülltonne. »Solange es keine Probleme mit der Stromversorgung gibt, kannst du für eine ganze Kompanie Muffins und Brot backen.«
»Ich sollte das Zeug einfach ins Klo kippen«, sagt Julia und packt mit an. Nur mit Mühe bringen sie die Beutel dazu, sich stapeln zu lassen und nicht dauernd wegzurutschen. »Mir fällt niemand mehr ein, dem ich noch einen Beutel andrehen könnte. Erst recht nicht seit diesem Zeitungsartikel.« Sie drückt Gracie einen Beutel in die Hände, die sofort anfängt, ihn zu kneten.
Mark hört die Enttäuschung in Julias Stimme. »Uns wird schon was einfallen«, tröstet er sie. Mark weiß, wie wichtig Julia das Freundschaftsbrot ist. Es ist fast zu so etwas wie einem Familienritual geworden, das Anrühren des Teigs, das Backen, die Überlegungen, wie sie es das nächste Mal zubereiten wollen. Wenn man ihn fragen würde, dann würde er Paaren raten, nicht zur Eheberatung zu gehen, sondern es mit Freundschaftsbrot zu probieren. »Wir müssen nur kleinere Mengen produzieren. Hast du nicht gesagt, man kann das Zeug auch einfrieren?« Er öffnet die Gefrierschranktür. »Oh.«
Julia tritt neben ihn. Die Gefrierbeutel füllen ein ganzes Fach. Schnell schließt sie die Tür und schüttelt den Kopf. »Ich muss unter massiver Freundschaftsbrot-Sucht leiden. Zeit, dass ich eine Entziehungskur mache.«
Mark lacht und steckt damit Gracie an, die zu kichern anfängt. Selbst Julia muss grinsen.
»Ja, ja, lacht mich nur aus, ihr beiden.« Julia geht wieder zum Küchenschrank und sieht die Beutel nach Datum durch, dann zieht sie zwei heraus. »Du hast wahrscheinlich recht mit dem Strom. Ich sollte zusehen, dass ich noch schnell ein paar Laib Brot backe, man weiß ja nie.«
»Ich will auch!«, ruft Gracie.
Julia lächelt. »Ja, klar. Aber zuerst wird der Fernseher ausgeschaltet.«
Mark hebt Gracie auf den Boden, und sie flitzt aus der Küche. Julia dreht sich zu ihrem Mann, plötzlich wirkt sie fast schüchtern. »Möchtest du auch mitmachen?«
Nichts lieber als das, denkt Mark, aber in diesem Moment klingelt sein Handy. Lemelins Name erscheint auf dem Display. »Tut mir leid, da muss ich ran. Ich bin gleich zurück.« Julia zuckt enttäuscht die Achseln, als er die Küche verlässt.
Lemelin klingt munter. »Mark, mein Lieber. Tut mir leid, ich konnte Ihren Anruf vorhin nicht entgegennehmen. Ich hoffe, Sie genießen das schöne Wetter.«
Lemelins Lockerheit beruhigt Mark. Wenigstens weiß er, wie beschissen die Wetterlage ist. »Solange der Strom nicht wegbleibt, macht es mir nicht viel aus.«
»Ganz meine Meinung. Ich werde meine Restaurants geöffnet lassen. Die Leute müssen schließlich auch bei Regen essen, richtig?«
Richtig . Mark räuspert sich. »Ich habe angerufen, um zu fragen, ob wir den Termin nicht auf nächste Woche verschieben können. Die Straßen hier stehen zum Teil schon unter Wasser.«
»Ach wirklich? Davon hat Vivian gar nichts gesagt, als wir miteinander telefoniert haben.«
Schaut Lemelin etwa keine Nachrichten und wirft nie einen Blick zum Fenster hinaus? Entweder hat er keine Ahnung, oder er ist leichtsinnig, oder Chicago befindet sich plötzlich auf Hawaii. »Na ja, wir haben die Entscheidung ja auch gerade erst getroffen.«
»Wie, vor zehn Sekunden?« Lemelin lacht. »Da habe ich nämlich noch mit ihr gesprochen.«
Mark runzelt die Stirn. »Sie haben gerade mit Vivian gesprochen?«
»Ja, vor einer Minute – deshalb habe ich ja auch Ihren Anruf nicht annehmen können. Sie hat gesagt, dass sie mit Ihnen gesprochen hat und dass sie gleich losfährt, aber dass Sie es vielleicht nicht schaffen. Also, wie sieht’s aus, Evarts?«
Evarts . Lemelin nennt Mark beim Nachnamen – das verheißt nichts Gutes. »Da gab es wohl ein kleines Missverständnis. Ich werde das gleich mit ihr klären.«
»Sehr gut.« Kurzes Schweigen. »Dann seh ich Sie also nachher? Wir könnten eine Kleinigkeit essen und uns dabei übers Geschäftliche unterhalten.«
Mark merkt, dass das kein Angebot, sondern eine Aufforderung ist. Lemelin weiß genau, dass Mark das Treffen verschieben möchte, aber so einfach will er es ihm nicht machen, zumindest soll sich Mark wie ein Schlappschwanz fühlen.
Vielleicht ist er das ja auch – vielleicht sollte er in den sauren Apfel beißen und losfahren. Es wenigstens versuchen. Aber ein Blick aus dem Fenster genügt, um Mark zu zeigen, wie dumm das wäre. »Danke
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