Je sueßer das Leben
reißt. Das Haus ist abbezahlt, und hier komme ich gut mit meinem Geld aus. In einer Großstadt, egal welcher, würde es eng werden. Warum sollte ich mich diesem Druck aussetzen? Um meinen Lebensstil beizubehalten, müsste ich viel mehr arbeiten, und warum sollte ich das tun?«
Julia lächelt. Die Gewissheit und Zuversicht, die aus Hannahs Stimme spricht, freut sie. Ihre ganze Haltung hat sich geändert, sie sitzt aufrechter, reckt den Kopf in die Höhe und wirkt dabei gleichzeitig entspannt und gelassen.
Hannah fährt mit glänzenden Augen fort. »Wenn ich etwas aus Chicago brauche, dann fahre ich eben hin. In Avalon zu wohnen ist einfach schön. Ich mag mein Haus und die Nachbarn. Mir gefällt es hier einfach. Darüber hinaus bin ich schon mehrfach angesprochen worden, ob ich Lust hätte, Cellounterricht zu geben. Wenn ich ein paar Privatschüler habe und mit meinem Geld einigermaßen haushalte, kann ich mir hier Dinge erlauben, die ich mir anderswo nicht erlauben kann. Ich kann zum Beispiel kostenlosen Unterricht in der Grundschule erteilen. Ich habe mich bereit erklärt, gute Instrumente zu besorgen, damit mehr Schüler die Möglichkeit erhalten zu spielen.«
»Das hört sich toll an.« Julia beugt sich vor und umarmt Hannah. Hannahs Freundschaft ist Julia so wichtig geworden, dass sie den Kontakt nicht abreißen lassen würde, egal wo Hannah schließlich landet. Aber so ist es natürlich viel besser. »Ich freue mich, dass du bleiben willst.«
»Ja, ich find’s auch gut.«
Sie hören Madeline rufen. »Hannah und Julia, könnt ihr bitte kurz ins Wohnzimmer kommen?«
Hannah und Julia wechseln einen neugierigen Blick und gehen durch den Flur. Im Wohnzimmer sitzen um die zwanzig Frauen, trinken Tee und essen Kuchen. Sie lächeln die beiden aufgeregt an, Julia ist eine Berühmtheit und eine Art Heldin für sie geworden, während Hannah schon länger einen gewissen Starruhm genießt.
Connie hält einen der Weidenkörbe in die Höhe, der vor Teigbeuteln überquillt.
»Die gute Nachricht, Connie kann morgen für mich einspringen«, erklärt ihnen Madeline. »Die schlechte Nachricht, wir haben eine Teigüberschwemmung.«
»Da drüben stehen noch drei Körbe«, sagt Connie und deutet mit dem Kinn in eine Ecke. »Die Beutel in den Körben müssen heute verbacken oder geteilt werden. Ich habe mindestens fünfundzwanzig Stück gezählt.«
»Wir haben hin und her überlegt und sind auf folgende Idee gekommen«, sagt eine Frau. Es ist Irma Fagen vom Gutter, der einzigen Bowlingbahn des Städtchens. »Jeder Beutel ergibt zwei Laib Brot und drei neue Beutel, richtig? Statt den Teig wieder zu teilen, werden wir alles backen. Es muss also jeder acht Laibe backen, wenn wir die Beutel unter uns aufteilen.«
»Ich habe zu Hause auch noch Teig«, wirft Julia ein. »Ich wollte heute Abend backen. Aber ich glaube nicht, dass ich in meinem Gefrierschrank genug Platz für sechzehn Freundschaftsbrote habe.«
»Eben!« Die Stimme gehört Claribel Apple. »Deshalb haben wir auch an eine Brotspende gedacht.«
»Eine Brotspende?«
»Ja! Wir nehmen sämtlichen Teig, verbacken ihn und bringen die Brote und Kuchen morgen nach Barrett für die bedürftigen Familien. Wir könnten sie zusammen mit Tee und Kaffee im Bürgerzentrum austeilen.«
»Ich steure den Tee bei«, bietet Madeline spontan an. »Und wer mag, kann gerne einen meiner Backöfen benutzen.«
Man hört zustimmendes Murmeln, und die Frauen fangen an zu planen.
»Ich habe einen Minivan, mit dem ich die Laibe transportieren könnte«, sagt eine.
»Ich auch«, ist eine weitere Stimme zu hören.
»Dann ruf ich schnell in Barrett an, um zu fragen, ob sie einverstanden sind«, sagt Connie und stellt den Korb auf den Boden. »Was schätzt ihr, wie viel Laibe es werden?«
Rasch rechnen die Frauen. Die einen haben backfertigen Teig zu Hause, die anderen haben welchen im Gefrierschrank, der erst auftauen muss. Aber alle sind bereit, sich die nächsten Stunden in die Küche zu stellen, so dass sie auf mehr als hundert Freundschaftsbrote kommen, die am nächsten Tag fertig sein könnten.
»Ich werde gleich meine Tochter anrufen«, verkündet Jessica Reynolds und zieht ihr Handy aus der Tasche. Sie leidet unter schwerem Lupus und sitzt im Rollstuhl. Wenn sie einen guten Tag hat, verbringt sie den Nachmittag bei Madeline –so glücklich und zufrieden war sie schon seit Jahren nicht mehr. »Sie soll uns helfen, die Aktion bekannt zu machen. Vielleicht kann sie ein Schild neben
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