Je sueßer das Leben
dass du nicht nach Barrett hättest fahren können, um für die Gazette zu berichten. Es wäre nicht möglich gewesen! Dir ist strikte Bettruhe verordnet, Edie, und es wird dir nichts anderes übrig bleiben, als zu akzeptieren, dass die Welt sich auch ohne dich weiterdreht.«
»Aber Richard …« Edie fängt an zu heulen. Sie vergräbt ihr Gesicht im Kissen. »Das war meine Story, mein Feature! Ich wollte eine ganze Serie daraus machen …«
»Edie …«
»Was soll ich denn jetzt tun? Ich habe nichts in meinem Leben erreicht. Und jetzt kriege ich auch noch ein Kind! Ich werde eine schreckliche Mutter werden, das weiß ich, und das weißt du. Ich bin Journalistin, ich muss schreiben und Interviews machen …«
»Schatz, hör dir doch bitte mal selbst zu.« Richard nimmt das Eis und legt es auf eine Serviette. »Warum glaubst du eigentlich nicht, dass du eine tolle Mutter und eine tolle Journalistin sein kannst? Der Journalismus muss eben im Moment aus Gründen, die außerhalb deines Einflussbereichs sind, hintangestellt werden.«
»Aber ich will nicht, dass er hintangestellt wird! Warum kann ich nicht beides tun?«
»Das kannst du doch. Nur nicht so, wie du denkst. Die Situation hat sich einfach geändert, Edie. Du weißt genau, dass du wenigstens die nächsten Monate noch nicht so herumrennen kannst wie gewohnt. Und danach wirst du das Kind einfach mitnehmen.«
»Toll. Und wie soll das funktionieren?« Ihre Stimme klingt gedämpft.
»Man nennt die Dinger Babytragen. Ich glaube nicht, dass du ein Problem damit haben wirst, ein acht Pfund schweres Baby zu tragen, wenn ich daran denke, dass du in Benin einen fünfundzwanzig Kilo schweren Rucksack mit dir herumgeschleppt hast.« Richard zieht das Kissen von ihrem Gesicht und streicht ihr eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. »Sei nicht traurig, Liebling.«
Edie schnieft. »Ich bin nicht traurig, Richard. Ehrlich.« Sie lächelt ihn tapfer an.
»Was hast du denn dann?«
»Ich bin … ich bin … ICH BIN EINFACH NUR SO TRAURIG !« Sie fängt wieder an zu heulen und reißt ihm das Kissen aus der Hand.
Richard hat Mitleid mit ihr. »Ich kann mir vorstellen, dass es wehtut, diesen Bericht zu sehen.«
Edie schiebt das Kissen beiseite. »Ich meine … siebentausend Brote! Das ist doch verrückt, oder? Und alle für Barrett! Weißt du, wozu mich das macht? Zu einer herzlosen Ziege.«
»Nein, das macht dich nicht zu einer herzlosen Ziege.«
»Doch, das tut es. Mein Artikel hat dieses Freundschaftsbrot zu einer Art öffentlichem Ärgernis erklärt. Und dann habe ich auch noch lauter Leserbriefe abdrucken lassen, in denen die Leute schreiben, wie genervt sie von dem Zeug sind. Als Journalistin bin ich zu einer fairen und ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet. Und gegen dieses Gebot habe ich verstoßen.«
»Es ist doch nur Brot, Edie, es geht nicht um internationale Friedensverhandlungen oder so was.«
»Nein, es ist nicht nur Brot«, beharrt Edie. »Verstehst du das denn nicht? Es ist die Stadt. Es sind die Menschen. Es ist … Avalon.« Das Eis ist auf der Serviette mittlerweile zu einer unappetitlichen Schokoladenlache geschmolzen. »Verstehst du denn nicht, was das für eine unglaubliche Geschichte ist?«
»Nein, ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen. Und allmählich machst du mir Angst.«
Edie nimmt sich Block und Stift. »Geh in deine Praxis, Richard. Und gib mir bitte die Fernbedienung wieder.« Brav legt sie sich auf die linke Seite und fängt an, sich Notizen zu machen, plötzlich wirkt sie ruhig und heiter.
Die Hormone , denkt Richard, als er ihr die Fernbedienung gibt und die durchgeweichte Serviette in den Abfalleimer wirft. Das sind nur die Hormone . Wie oft ist er diesem Phänomen schon in seiner Praxis begegnet – Schwangere, die eben noch glücklich strahlen, nur um im nächsten Moment in Tränen auszubrechen. Da kann er ja schon mal anfangen, sich auf die Wochenbettdepression zu freuen. Wie vielen besorgten Ehemännern hat er erklärt, das sei völlig normal, und sie bräuchten sich keine Gedanken zu machen, aber langsam macht sich Richard doch ein wenig Gedanken. Er blickt zu Edie, die fröhlich vor sich hin summend schreibt und nachdenkt, nachdenkt und schreibt. Sie sieht auf und wirft ihm ein Luftkuss zu, winkt ihm, dass er verschwinden soll, so als wäre alles in schönster Ordnung.
Junge, Junge.
Kapitel 28
Die Operation Freundschaftsbrot war ein durchschlagender Erfolg. Die Bewohner von Avalon hatten für ihre Nachbarn
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