Je sueßer das Leben
in Barrett achttausend Dollar in bar gesammelt, dazu Lebensmittel, Kleider und Spielzeug. Mehr als fünfzig Männer und Frauen aus Avalon verbrachten den Vormittag in Barrett damit, Freundschaftsbrot auszuteilen und Hannah zu lauschen, die Cello spielte. Jeder einzelne Einwohner von Barrett bekam etwas, und wenn er wollte, gab es einen großzügigen Nachschlag.
Mit vollen Bäuchen und Herzen stiegen sie wieder in ihre Autos und fuhren zurück nach Avalon. Nichts bereitete sie auf die vielen Übertragungswagen und Fernsehkameras vor, die sich vor Madelines Teesalon eingefunden hatten. Das ganze Land wollte offenbar einen Blick in den Teesalon werfen, wo der Freundschaftsbrot-Club zu Hause war. So hatten ihn die Medien getauft: Freundschaftsbrot-Club. Connie und den anderen Frauen gefiel der Name, und sie alle genossen ihre fünf Minuten Ruhm, als man sie vor laufender Kamera interviewte.
Das Geschäft war zuvor schon gut gelaufen, aber jetzt stehen die Leute bis auf die Straße Schlange. Connie nimmt die Reservierungen entgegen, sie muss sogar eine Warteliste anlegen. Hannah ist da, um zu helfen, und Madeline lässt sie in der Küche weitgehend frei schalten und walten, während sie die Speisekarte zusammenstellt und sich neue Tagesgerichte ausdenkt. Nachdem in dem letzten Fernsehbericht auch noch der Tee und das Essen im Teesalon über den grünen Klee gelobt wurden, sind sie drei Monate im Voraus ausgebucht.
»Eine kleine Stadt mit einem großen Herzen« hieß es in einer Zeitung, und die Chicago Tribune überschrieb einen Artikel mit »Sie suchen Freunde? Fahren Sie nach Avalon«.
»Das ist wunderbar«, sagt Julia, als sie den Artikel liest. »Für uns alle. Für Avalon.« Avalon hat wie der Rest des Landes schwer unter der Wirtschaftskrise gelitten, als vor ein paar Jahren die Finanzblase platzte. Da helfen solche aufmunternden Worte und der dadurch angekurbelte Fremdenverkehr schon sehr. Wenn Avalon bislang noch nicht die freundlichste Stadt gewesen sein sollte, dann ist sie es jetzt mit Sicherheit. Es hat sich ein Trupp von Leuten zusammengefunden, die wöchentlich nach Barrett fahren, um bei der Reinigung und beim Wiederaufbau von Wohnhäusern und Schulen zu helfen, obwohl die Medienleute längst wieder abgezogen sind. Julia muss lächeln, als sie daran denkt, wie stolz alle auf das sind, was sie vollbracht haben und immer noch vollbringen, und wie stolz sie ist, in dieser kleinen Stadt zu leben.
Madeline und Julia sitzen im Schatten des Gingko-Baums in Madelines Garten. Madeline trägt einen Overall, weil sie gleich im Garten werkeln will. Es ist ein wunderschöner Tag. Die Sonne brennt heiß vom Himmel herunter, und die Zikadenmännchen zirpen um die Wette miteinander.
Madeline sieht zu, wie Julia einen Löffel Zucker in ihren Eistee rührt. »Also«, fängt sie an und räuspert sich.
Julia sieht auf und hebt die Augenbrauen. »Oh, oh, das hört sich nicht gut an. Drückt dir was auf die Seele, Madeline?«, fragt sie in neckendem Ton, aber gleichzeitig besorgt.
Madeline will beruhigend lächeln, aber es gelingt ihr nicht. Die Sache geht ihr schon länger im Kopf herum, und sie hat hin und her überlegt, was sie tun, was sie sagen soll. Sie weiß nicht einmal, ob es irgendeinen Nutzen hat, aber sie hat das Gefühl, dass zu viel auf dem Spiel steht und sie es deshalb ansprechen muss. Da Madeline nicht weiß, wie sie es am geschicktesten anfängt, beschließt sie, mit der Tür ins Haus zu fallen.
»Julia«, sagt sie, »wie geht es eigentlich deiner Familie?«
Über Julias Gesicht breitet sich ein Lächeln. »Mark und Gracie geht es gut. Wir überlegen, ob wir nicht mal für ein paar Tage nach Chicago fahren sollen. Auf der North Michigan gibt es einen riesigen American-Girl-Laden, in den ich schon lange mal wollte. Wir wollen Gracie ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk machen. Und Mark will natürlich ins Wrigley-Field-Stadion und sich ein Spiel der Cubs ansehen. Einer seiner Auftraggeber hat eine Box …«
»Ich meinte eigentlich deine Eltern«, sagt Madeline vorsichtig. »Und deine Schwester.«
Julias Lächeln ist wie weggeblasen. »Oh.« Sie wischt die Kondenswassertropfen von ihrem Glas.
»Ich würde ja gerne behaupten, dass ich mich nicht ständig in alles einmische, aber wir wissen es beide besser.« Madeline versucht Julia zum Lachen zu bringen, und es gelingt ihr. Wenigstens ein bisschen. »Ich freue mich so für dich – das musst du mir glauben. Ich weiß, dass die letzten Jahre schlimm
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