Jede Nacht mit Charlie
erfüllender zwischenmenschlicher Beziehungen. Ihr Kerle floppt doch schon beim ersten Schritt. Dazu bedarf es nämlich einer gewissen Kommunikation. Die allerdings beschränkt sich bei euch auf ein: ‚Hey, Darling, wie war ich?‘ nach dem Sex.“
„Ich muss doch sehr bitten! Ich habe eine erfüllende zwischenmenschliche Beziehung.“ Viel sagend ließ er die Augenbrauen spielen.
„Irrtum, Tenniel, das ist Sex. Ein flüchtiges Vergnügen. Ein schwacher Ersatz. Nie im Leben könntet ihr engstirnigen Kerle eine Beziehung ohne Sex aufrecht erhalten, denn den braucht ihr ja wie die Luft zum Atmen. Frauen dagegen wissen, was wirklich zählt. Sie bekommen nicht alle Wärme in ihrem Leben allein durch ausgefallene Schlafzimmerakrobatik.“
Da sie ihn immer mehr in die Ecke drängte, hielt Charlie eine Klarstellung für angebracht. „Sex ist für dich nicht wichtig?“
„Natürlich ist er wichtig. Aber ich fiele nicht gleich aus allen Wolken ohne ihn, wie gewisse andere Personen.“
„Dass ich nicht lache!“
„Nein! Solange eine Frau ihre emotionalen Bedürfnisse gestillt bekommt, erträgt sie auch sexuellen Entzug. Ein Mann dagegen gesteht sich diese Bedürfnisse ja nicht einmal ein, also überkommt ihn der große Frust, und er wird irrational. Nicht, dass es auffallen würde. Männer handeln grundsätzlich irrational.“
„Stellen wir das mal klar: Du behauptest, wenn wir unser Sexleben auf Eis legen würden, schnappe ich über, weil ich keine Freunde habe – im Gegensatz zu dir?“
Allie erstarrte.
„Nun?“
„In gewisser Weise“, erwiderte sie. „Obwohl ich das in diesen Worten sicher nicht über die Ätherwellen geschickt hätte.“
In der Hitze des Gefechts war Charlie Vernunftgründen wenig zugänglich. „Ich kann nicht glauben, dass du eine so sexistische Bemerkung vom Stapel gelassen hast!“
„Diese Theorie lässt sich ganz einfach beweisen: Heute ist der zweite Oktober. Wie du dich vielleicht erinnerst, hatten wir gestern Abend einen Streit, also können wir den Tag mitzählen. Warten wir ab, wer von uns bis November durchhält.“
„Allie, das ist nicht komisch!“
Triumphierend lächelte Allie ihn an. „Keine weiteren Fragen. Ich wusste, du kneifst.“
„So, wusstest du das? Na schön. Wir üben uns in Keuschheit bis zum ersten November. Kein Problem!“ Natürlich nahm sie gleich einen Monat mit einunddreißig Tagen!
Als Krönung des Ganzen liefen als Nächstes die Rolling Stones: ‚I Can’t Get No Satisfaction …‘
„Hier ist das neueste Fiasko, in das du uns hineingeritten hast, Allie!“
Ein Stapel Laken und Kissenbezüge landete an Charlies Brust. Geistesgegenwärtig fing er die Bettwäsche auf. „Ich? Warte mal!“ Aber Allie hatte bereits die Schlafzimmertür hinter sich zugeknallt.
Seufzend zog Charlie sich bis auf seine Shorts aus. Wenigstens bekam er ab sofort nachts wieder Schlaf. Man musste für die kleinen Dinge dankbar sein.
Eine Stunde später hatte seine Dankbarkeit drastisch abgenommen.
Er war müde, er war schwer angeschlagen, aber Schlaf fand er keinen. Unruhig wälzte er sich auf der Couch, versuchte es im Sitzen, mit Meditation und Atemübungen, zählte Schafe, Ziegen und Schäferhunde, und schließlich, als die Ziffern der Digitaluhr auf 3:30 rollten, gab er auf.
Von Allie kam kein Laut, als er sein Kissen aufs Bett schmetterte. „Schön zu sehen, dass du mich vermisst hast!“ Charlie schlüpfte unter die Bettdecke und schmiegte sich an ihren reglosen Körper.
Binnen einer Minute war er eingeschlafen.
8. KAPITEL
I ch wusste, du schaffst es nicht!“ spottete Allie, räkelte sich aufreizend und streifte verführerisch Charlies Vorderseite. Im Lauf der Nacht hatte er sie in die Arme gezogen. Sein Bein war über ihres geschlungen, seine Hand lag auf ihrer Brust, seine Lippen berührten ihren Hals.
Dies war ganz entschieden eine seiner Lieblingspositionen. Einen Moment fühlte Charlie sich ganz benommen von Allies zartem Duft. Die Versuchung war groß. Nur die Aussicht auf eine Kapitulation vor Tausenden von Leuten hielt ihn ab. Mit seiner Niederlage würde er nicht nur seine Fans enttäuschen, sondern sein gesamtes Geschlecht.
„Wart’s ab“, gab er zurück. „Enthaltsamkeit ist für mich kein Problem.“
Später, bei der allmorgendlichen Zeitungslektüre, erlebte er eine unangenehme Überraschung. Denn eine winzige Notiz besagte, dass infolge einer Fehlinformation das Foto aus der Vortagsausgabe nicht Charlie Tenniel zeigte, sondern
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