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Jede Nacht mit Charlie

Jede Nacht mit Charlie

Titel: Jede Nacht mit Charlie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Crusie
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seinen homosexuellen Mitbewohner.
    Nicht nur, dass jetzt öffentlich seine sexuellen Vorlieben infrage gestellt wurden, auch die Kollegen im Sender sparten nicht mit Häme über seine Enthaltsamkeit. Auf den Straßen wurden sogar Wetten darüber abgeschlossen, wer am längsten durchhielt – er oder Allie. Die meisten Leute gingen davon aus, dass Charlie bei diesem Spiel die schlechteren Karten hatte.
    Wie erbärmlich schlecht seine Chancen wirklich standen, bewies die folgende Nacht. Diesmal hielt er es bis halb fünf Uhr auf der Couch durch, ehe er wieder zu Allie ins Bett kroch.
    Vier Stunden später stand er vor Harrys Tür.
    „Irgendwie habe ich mir dein Haus anders vorgestellt“, bemerkte er nach einem kurzen Blick auf die chintzbezogene Sitzgarnitur und die romantischen Blumenbildern. „Geblümte Sofas?“
    „Sheilas Wahl. Willst du ein Bier?“
    „Immer.“ Charlie folgte ihm in die Küche. „Wer ist Sheila?“
    „Meine Frau.“
    Harry öffnete den Kühlschrank. Beim Anblick des Zwölferpacks Bier, einer Großpackung Weichkäse und eines vorsintflutlichen Stücks Pizza dachte Charlie wehmütig an Joes gut gefüllten Kühlschrank. „Du hast eine Frau? Hoffentlich stört es sie nicht, wenn ich vorübergehend bei euch übernachte.“
    „Ich hatte. Eines Tages kam ich heim und fand bloß einen Zettel. Jetzt lebt sie bei ihrer Mutter.“
    „Oh.“ Charlie folgte ihm in das blitzblanke Wohnzimmer. „Sie muss gelegentlich zum Saubermachen vorbeikommen.“
    Der Länge nach streckte sich Harry auf der Couch aus – offensichtlich ein glücklicher Mann. „Das erledigt Mrs. Squibb. Lass bloß nichts rumfliegen. Sie schmeißt alles weg.“
    „Also ist deine Frau … äh …“
    „Fort“, erwiderte Harry. „Ich habe ein paar Wochen gewartet und sie dann angerufen. Weißt du, was sie sagte? ‚Siehst du, Harry, genau das meine ich. Für dich bin ich reine Dekoration/ Die Woche drauf kamen die Scheidungspapiere.“ Harry schüttelte den Kopf. „Ich denke immer noch, es war ein Fehler. Wer weiß, vielleicht kehrt sie ja zurück.“
    „Wie lange ist sie weg?“
    Stirnrunzelnd rechnete Harry nach. „Dreizehn Jahre.“
    Eine volle Minute lang starrte Charlie ihn an. „Sei mir nicht böse, Harry, aber an deiner Stelle würde ich so langsam einen Alternativplan ausarbeiten.“
    Distanz war die einzige Möglichkeit, bei Verstand zu bleiben. Im Grunde war die Wette eine begnadete Idee. Jetzt brauchte Charlie Allie bloß am ersten November einen Abschiedskuss zu geben, sie mit fantastischen Erinnerungen zurückzulassen, und er konnte problemlos seiner Wege ziehen. Zumindest hoffte er, dass Allies Erinnerungen fantastisch waren. Seine jedenfalls waren phänomenal.
    Aber das war der Weg in den Wahnsinn, also verbannte er Allie aus seinen Gedanken und mied sie für den Rest der Woche, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Ab und an winkte er ihr aus dem Studio zu, wo er sich sicher fühlte. Und wenn er mit ihr redete, dann nur, sofern auch noch andere Leute zugegen waren. In seiner Freizeit suchte er nach dem Absender des Briefes und dem Saboteur seiner Sendung. Als Hauptverdächtiger für Letzteres galt Mark. Nur zu gern hätte Charlie ihn auch wegen des ominösen Drogenhandels festgenagelt – King trug verdammt teure Anzüge für das magere Gehalt eines DJs – doch bei aller Fantasie: Mark als Drahtzieher eines Drogenrings? Er konnte sich Mark ja nicht einmal als Kopf eines illegalen Gummibärchenrings vorstellen!
    Am Samstag nahm Charlie sich einen Tag frei vom Detektivspielen und besuchte Grady. Er wohnte in einem avantgardistischen gläsernen Kuppelbau, den er selbst entworfen hatte, inmitten unverfälschter Natur.
    „Mein Vater erklärte mich für verrückt“, erklärte Grady beim Rundgang. „Mom dagegen ist total begeistert.“ Das Innere bestand aus natürlichen Materialien. Abgesehen von einem beunruhigenden Mangel an Ecken und Winkeln war es ein sehr gemütlicher Ort, voller willkürlich zusammengewürfelter Secondhandmöbel. Nur der hochmoderne Computer und die Stereoanlage fielen aus dem Rahmen. „Meine Mutter kauft mir dieses Hightechzeug aus Angst, ich könne vollends in andere Sphären abdriften. Fühl dich wie zu Hause.“
    „Danke.“ Im Vorbeigehen bemerkte Charlie beim Blick aus dem Fenster, worin sich Gradys landwirtschaftliche Interessen erschöpften: Halb verborgen von der Auffahrt und einer Reihe Bäume lag das größte Marihuanafeld, das Charlie je gesehen hatte.

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