Jede Nacht mit Charlie
allerwenigsten einen Mann, der fest entschlossen war, am ersten November wieder abzureisen.
Das Telefon klingelte. Allie hob ab, dankbar für die Ablenkung.
„Charlie? Du hast einen Anrufer. Es ist Doug, auf Leitung eins.“
Charlie schob Sam auf seine Schulter. „Hi, Doug, was liegt an?“
„Genau das wollte ich dich fragen. Erst spielst du ständig ‚River Of Dreams‘ und nun auch noch Schlaflieder! Seid ihr bei WBBB jetzt vollkommen abgedreht?“
Charlie erklärte die näheren Umstände.
„Du hast einen Hund im Studio?“
Charlie sah auf Samson hinunter und grinste. „Bei großzügiger Auslegung könnte man Sam einen Hund nennen. Aber eigentlich ist er eher ein Schokokeks mit Pfoten und Riesenappetit. Erst vor einer Minute hat er das Studio auseinander genommen. ‚Baby Mine‘ hat ihm den k.o. gegeben.“
„Versuch mal ‚Sweet Baby James‘“, schlug Doug vor. „Mein aufsässiger Junior schläft dabei sofort ein.“
Die beiden diskutierten noch eine Weile, Allie dagegen beherrschte nur ein Gedanke: Charlie hatte gerade der halben Gemeinde Sams Existenz verkündet.
Bill liebte derartige Überraschungen …
Sie waren fällig für eine neuerliche Standpauke.
Oh verdammt! Wie konnte ihr Leben trotz aller Bemühungen nur in einem einzigen Chaos enden?
Bills üblicher Wutausbruch verpuffte beim Anblick von Charlies Geheimwaffe: Sam.
„Heißer Tipp von Grady. Anscheinend sind kleine Hunde die große Schwäche unseres Medienmoguls.“ Charlie hob Sam auf Augenhöhe. „Du bist drinnen, Kleiner. Vermassle es bloß nicht.“ Als Sam Charlies Nase leckte, lachte er. Er amüsierte sich noch prächtiger, als Sam zum „Liebling der Woche“ in der
Tuttle Tribune
avancierte. Das örtliche Tierheim bat um die Einrichtung einer Programmnische namens „Tiere suchen ein Zuhause“, und die Hörer sparten nicht mit Erziehungstipps.
Einige Probleme besaß er trotzdem noch. Irgendjemand sabotierte die Sendung durch Störanrufe, die die Telefonleitungen blockierten, Werbebänder verschwanden spurlos, und Freitagabend stank das Studio wie ein Nadelwald.
„Das war Marks neueste Errungenschaft – ein Dobermann-Mischling. Ein Männerhund“, erklärte Harry. „Er hat ihn King genannt. Heute Morgen brachte er King junior als Maskottchen mit ins Studio. Wo er bloß die Idee wieder herhat?“ Genervt verdrehte er die Augen. „Jedenfalls kratzte King nach vier Stunden aus offensichtlichen Gründen an der Tür.“
Mit verschränkten Armen lehnte sich Charlie ans Mischpult. „King besitzt eine Menge Ausdauer. Wäre ich mit Mark eingesperrt, hätte ich schon viel früher drastische Maßnahmen ergriffen.“
„Aber Mark ignorierte ihn, also hat King … äh, sich hier drinnen erleichtert.“
Charlie musste schmunzeln. „Und dann?“
„Mark schrie das völlig verängstigte Tier an.“ Harry unterdrückte ein Grinsen. „Also passierte King gleich noch ein Missgeschick.“
„Mark ist ein Idiot!“
„Dann hat Mark das Skript nach ihm geworfen, und King .“
„… entschied sich zu einer Zugabe.“ Dröhnendes Gelächter hallte durchs Studio.
„Daraufhin kam Marcia rein und legte einen Tobsuchtanfall erster Güte hin. Sie gab Mark zehn Minuten für die Säuberung des Studios, nahm ihm den Hund ab, drohte mit einer Klage wegen Tierquälerei und erklärte den Welpen kurzerhand zu ihrem neuen Wachhund. Nachdem alle Beteiligten sich wieder beruhigt hatten, brachte Marcia ihre Sendung an der Seite ihrer verblüffend friedlichen vierbeinigen Neuerwerbung ohne Zwischenfälle hinter sich.“
„Gut für Marcia. Obwohl ich sie mir nur schwer mit einem Hund namens King vorstellen kann.“
„Dorothy“, verbesserte Harry. „Mark sind ein paar Details entgangen, wie üblich.“
„Was für ein Idiot! Also hat er dann das Studio sauber gemacht …“
Harry schnaubte. „Danebengeraten. Für solche Feinheiten ist Lisa zuständig. Die hat in ihrem jugendlichen Überschwang den Raum mit Pinienspray eingenebelt .“
„Was erklärt, warum es hier stinkt, als hätte …“
„ … jemand sich an einer Pinie erleichtert.“
Wegen des bestialischen Gestanks im Studio verbrachte Charlie die meiste Zeit außerhalb – bei Allie. Eigentlich sollten sie über die Anzeigen sprechen, doch Allie trug einen flauschigen pinkfarbenen Pullover, unter dem sich ihre verlockenden Kurven abzeichneten. Sie sagte etwas, doch Charlie hörte nur das Rauschen seines Blutes.
Er musste sie berühren. Berühren war kein Sex. Berühren
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