Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
Vom Netzwerk:
Fahrerfeld hindurchkämpfen müssen, und zwardurch ein Feld, zu dem auch Jan Ullrich und sein deutsches Team gehörten.
    Wir hatten von Anfang an mit Problemen zu kämpfen. Unsere Funkgeräte machten Schwierigkeiten, und gerade als wir uns abstimmen wollten, fielen sie aus und vereitelten unsere ganze Taktik. Eine ganze Weile hatte ich keine Ahnung, wo sich Ullrich befand. Da ich dachte, er wäre hinter mir, ließ ich es relativ langsam angehen. Gegen Ende des Rennens schloss ich nach vorne zu meinem Freund und Teamkollegen George Hincapie auf, um mit einem letzten großen Vorstoß vielleicht doch einen Sieg herauszufahren.
    »George, hat sich jemand abgesetzt?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er.
    Ich wollte gerade zu einem Ausbruch ansetzen, als wir an einem der großen Jumbotron-Monitore vorbeikamen, die entlang des Kurses aufgestellt worden waren. Auf dem Monitor war Ullrich zu sehen, wie er auf die Ziellinie zuraste. Wie sich herausstellte, lag er vor mir – weit vor mir. Er hatte sich von mir abgesetzt, ohne dass ich das mitbekommen hatte.
    »Und wer ist das, George?«, fragte ich.
    Ullrich flog über die Ziellinie und holte sich Gold. Ich selbst kam als Dreizehnter ins Ziel. Aber ich war nicht allzu sehr enttäuscht; was die Medaillen anging, waren wir von Anfang an Außenseiter gewesen, und so musste ich über das Missgeschick vor allem lachen. Meine beste und realistischste Chance auf Gold hatte ich beim zweiten Wettbewerb, dem Einzelzeitfahren.
    Der 47 Kilometer lange Dreirundenkurs führte vom alten Kricketplatz durch die Straßen von Sydney zur Küste und wieder zurück. Das Zeitfahren war meine Stärke; um ein Zeitfahren zu gewinnen, muss man als Fahrer ebenso präzise und technisch perfekt wie schnell sein. Bei der Tour de France hatte ich in den letzten zwei Jahren vier Einzelzeitfahren gewonnen.
    Aber auch dieses Mal klappte es nicht. Ich hatte keinen echten Einbruch, nur kleine Formschwächen, die mich Zeit kosteten.
    Nach der ersten Runde lag ich eine Sekunde hinter dem führenden Fahrer zurück, und der Abstand vergrößerte sich. Nach der zweiten Runde lag ich schon sechs Sekunden zurück und wusste, dass ich die Goldmedaille vergessen konnte.
    Ich kam über eine halbe Minute hinter dem Sieger Wjatscheslaw Ekimow ins Ziel.
    Das immerhin war ein gewisser Trost: Eki war mein Teamkamerad bei U.S. Postal und jemand, den ich über die Maßen mochte und für den ich großen Respekt hegte. Ullrich gewann Silber, ich Bronze.
    Sosehr ich über meinen dritten Platz enttäuscht war, so sehr freute ich mich für Eki. Ich hatte mich sehr dafür eingesetzt, ihn ins Postal-Team zu holen, und er hatte es mir bei der Tour hundertfach vergolten, hatte sich für mich abgerackert und mir den Ruhm überlassen. Unsere Freundschaft und unser Respekt füreinander beruhten auf Gegenseitigkeit. »Heute habe ich Gold und Lance Bronze«, sagte Eki. »Er versteht mich. Nächstes Jahr sind wir wieder zusammen.«
    Eki hatte mich geschlagen. Ich war so schnell gefahren, wie ich nur konnte; meine Herzfrequenz lag bei 190, was bedeutete, dass ich alles gegeben hatte. Wenn man sich auf ein Rennen vorbereitet und sein Bestes gibt und trotzdem nicht gewinnt, dann muss man sich eben eingestehen, dass man den Sieg nicht verdient hat, das ein anderer besser war.
    »Ich habe mich gut gefühlt«, sagte ich vor der Presse. »Ich kann nicht behaupten, dass ich irgendein größeres Problem gehabt hätte. Keine Probleme mit dem Rad, keine Schwierigkeiten mit dem Kurs, keine Probleme mit dem Hals. Meine Vorbereitung war gut. Ich habe keine Ausreden. Ich habe alles gegeben und bin auf den dritten Platz gekommen. Die beiden Fahrer vor mir waren besser und schneller und stärker.«
    Nach der Siegerehrung ging ich an meinem Fahrrad vorbei und küsste meine Angehörigen. Kik versicherte mir, sie sei noch nie in ihrem Leben so stolz auf mich gewesen wie an diesem Tag.
    Meine Mutter fasste ihre Gefühle einem Reporter gegenüber so zusammen: »Vor allem anderen ist er einfach glücklich, dass er hier sein kann. Diese Tatsache allein ist das Allerwichtigste.«
    Ich selbst konnte das noch nicht so sehen, dazu war ich von mir selbst viel zu enttäuscht. An diesem Abend machten wir mit ein paar guten Freunden eine Rundfahrt durch den Hafen von Sydney. Wir saßen an Deck und nippten an unserem Wein, da überkam mich plötzlich das Gefühl, alle enttäuscht zu haben, die an mich geglaubt hatten. Ich hatte viel verlangt von USA Cycling: spezielle

Weitere Kostenlose Bücher