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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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wird, und sie legt sich drei Wochen an den Strand«, klagte ich. Ich hoffte, fügte ich hinzu, dass die Untersuchung nun, da eindeutige Beweise dafür vorlagen, dass ich und unser gesamtes Team clean waren, zügig abgeschlossen würde.
    Ich hatte kaum ausgesprochen, da fing Richterin Château schon wieder an zurückzurudern. Als Journalisten sie anriefen und um einen Kommentar baten, bestätigte sie zwar meine Aussage, dass unsere Proben negativ waren, bezeichnete meine Pressekonferenz aber als »voreilig« und deutete an, dass noch nicht alle Beweismittel ausgewertet seien.
    Ein Journalist bemerkte, ich trüge mich mit der Hoffnung, dass die Untersuchung nun vor ihrem Abschluss stehe.
    »Il rêve«, gab sie knapp zurück.
    »Er träumt.«
    Jemand fragte mich, was meiner Meinung nach erforderlich sei, um die Skeptiker von meiner Unschuld zu überzeugen. »Ich weiß es nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. So langsam fing ich an zu befürchten, für den Rest meines Lebens als mutmaßlicher Dopingsünder zu gelten.
    Alles, wofür ich so hart gearbeitet hatte, meine Karriere, mein Ruf, mein Erfolg als Sportler, alles, was ich hatte, konnte mir genommenwerden, alles das, was man verliert, wenn die Leute anfangen zu glauben, man sei ein Betrüger, ein Krimineller.
    Was, wenn ich das alles verlor? Ich hatte andere Dinge verloren und es überlebt. Ich dachte an die Dinge, die ich aufgrund des Dopingvorwurfs verlieren könnte, und fragte mich, ob ich ohne sie auskommen würde. Mein Name wurde angegriffen, und ein Name lässt sich nur schwer ersetzen. Es ist mein Name, ganz allein mein Name, und er steht für meine Überzeugungen, für meine Existenz und für meine Familie. Ich konnte auf das Geld verzichten oder auf einen Deal mit Coca-Cola, was aber, wenn ich meinen guten Namen und meinen Ruf verlieren sollte? Die wiederherzustellen könnte sich als unmöglich erweisen.
    »Für mich ist das extrem wichtig«, sagte ich zu Kik. »Lukes Nachname ist Armstrong. Die Leute kennen diesen Namen. Wenn er zur Schule geht, will ich nicht, dass die Leute zu ihm sagen: ja klar, dein Dad ist doch dieser miese Betrüger, dieser Doper.‹ Das würde ich nicht überleben.«
    Aber etwas gibt es, das sie einem nicht wegnehmen können, und das ist die Persönlichkeit. Ich wusste, dass ich unschuldig bin, und daran konnte niemand etwas ändern.
    Ich hatte Rennen verloren, meine Gesundheit und mein altes Selbstgefühl, und jeder dieser Verluste hat seinen eigenen Platz in meinem Leben. Andere Verluste würden, wenn sie kämen, ebenfalls ihren Platz finden. Gewisse Dinge sind unausweichlich. Man wird älter. Man wird zu Kompromissen gezwungen, die man sich früher nicht einmal vorstellen konnte. Man muss sich mit Problemen auseinander setzen, obwohl man glaubte, vor ihnen gefeit zu sein. Man findet einen Job, und vielleicht verliert man ihn wieder. Man streitet sich mit seinem Partner, schultert lästige Aufgaben und muss sich mit unfairen Gegnern herumschlagen. Man kann sich von all dem demoralisieren lassen. Man kann sich aber auch davon formen lassen und darauf vertrauen, dass die Form, die eigene Persönlichkeit, ebendadurch vielfältiger und interessanter sein wird.
    »Erheb dich darüber«, sagte Kik.
    Genau das versuchten wir. Und dann passierte etwas, das alles leichter machte. Im April stellten wir fest, dass Kik wieder schwanger war, oder eigentlich mehr als schwanger, nämlich extrem schwanger. »Ich fühle mich so seltsam«, sagte sie immer wieder, und zwar, wie wir bald schon erfahren sollten, aus gutem Grund.
    Ich war gerade in Spanien, als sie sich untersuchen ließ. »Ich fürchte, dass ich Drillinge austrage«, sagte sie zu ihrem Frauenarzt Marco Uribe.
    »Und, wollen Sie es nicht genau wissen?«, fragte er.
    Die erste Ultraschalluntersuchung war zwar erst auf zehn Tage später angesetzt, aber der Arzt erklärte ihr, dass man, sollte es sich in der Tat um eine Mehrfachschwangerschaft handeln, möglicherweise jetzt schon charakteristische Merkmale ausmachen könne.
    Kik war allein. In Austin war es 18.00 Uhr abends, und ich war eine halbe Weltreise entfernt in Europa, wo es mitten in der Nacht war. Sie zögerte. Dann gab sie sich einen Ruck und sagte: »Ja, ich will es wissen. Natürlich will ich es wissen.«
    Er machte die Ultraschalluntersuchung. Und dann, dort auf dem Bildschirm, sah sie es, einen pulsierenden doppelten Lichtimpuls. Eigentlich wollte sie mich erst am nächsten Morgen anrufen, aber sie war so aufgedreht,

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