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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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was passiert war. David, sein kleiner Bruder, hatte sich am Wochenende beim Basketballspielen einen Zeh angeschlagen. Der Zeh war grün und blau angelaufen und furchtbar angeschwollen, und David hatte gedacht, er wäre gebrochen. Am nächsten Tag dann hatte seine Nase angefangen zu bluten und einfach nicht mehr aufgehört. Schließlich war es so schlimm geworden, dass er zur Notaufnahme ins Krankenhaus ging, wo ein Arzt Leukämie diagnostizierte und ihn postwendend zur Aufnahme schickte, um sofort mit Bluttransfusionen zu beginnen. So schnell konnte das gehen; gestern hatte David sich noch kerngesund gefühlt, heute war er todkrank.
    David Knaggs war 31 Jahre alt, und seine Frau Rhiannon war schwanger mit ihrem ersten Kind.
    In den Staaten war es mitten in der Nacht, aber das war mir egal. Unverzüglich machte ich mich daran, alle mir bekannten Krebsärzte anzurufen oder per E-Mail zu kontaktieren. Ich rief Jeff Murray an, den Kinderkrebsspezialisten aus Fort Worth, der Kelly Davidson behandelt hatte. Und ich rief Steve Wolff an, den Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirats der LAF, der sich damals um meinen Fall gekümmert und mich an die richtigen Spezialisten verwiesen hatte. Obwohl ich Wolff aus dem Schlaf riss, erklärte er sich ohne Zögern bereit, sich der Sache anzunehmen. Er versprach, sich über Davids Zustand zu informieren, und empfahl, ihn einstweilen möglichst schnell in ein Krebszentrum zu überweisen.
    »Wir müssen deinen Bruder in ein anderes Krankenhaus verlegen«, sagte ich zu Bart.
    Bart, immer noch viel zu erschüttert, um viel zu reden, nickte bloß. »Hör zu, ich bin an deiner Seite«, sagte ich. »Du darfst jetzt nicht aufgeben. Wir müssen die Sache gemeinsam in Angriff nehmen.«
    Als Nächstes kümmerten wir uns darum, Bart möglichst schnell nach Hause nach Austin zu bringen. Ich rief Jim Ochowicz an, der noch in Paris war, und bat ihn, Bart am Flughafen von Paris zu treffen und sich um ihn zu kümmern. Och nahm Bart vor dem Flughafengebäude in Empfang, gab sein Gepäck auf, sorgte dafür, dass er mit ihm in die Erste Klasse kam – und hielt die ganze Zeit über seine Hand.
    Unmittelbar bevor die beiden an Bord gingen, meldete sich Steve Wolff mit schlechten Nachrichten. Die Zählung von Davids weißen Blutzellen hatte einen Wert von 177000 ergeben – normal für einen jungen Mann war ein Wert zwischen 4000 und 7000. »Er hat rund 30-mal mehr weiße Blutzellen als normal«, sagte Dr. Wolff. »Das bedeutet, David ist sehr krank und sein Krebs sehr aggressiv.«
    Die unmittelbare Gefahr war, fuhr er fort, Leukozytose, eine lebensbedrohliche Verdickung des Blutes. »David befindet sich aneinem kritischen Punkt«, meinte er und empfahl nochmals, ihn schnellstmöglich in eine auf die Behandlung aggressiver Leukosen spezialisierte Klinik zu verlegen. Andernfalls, warnte er, könnte sich Davids Zustand rapide verschlechtern. »Er muss sofort einen Fortschritt gegen die Krankheit erzielen«, betonte Wolff abschließend.
    Krank vor Sorge bestieg Bart sein Flugzeug. Den ganzen Flug über saß er, Och an seiner Seite, kerzengerade im Sitz. Als sie in Chicago landeten und auf den Anschlussflug nach Austin warteten, sprach Bart nochmals mit Steve Wolff, der ihm sagte, dass David mit einem Krankenwagen in die M.D. Anderson-Krebsklinik in Houston unterwegs war, wo bereits ein Spezialist auf seine Einweisung wartete.
    Bart landete in Austin, nahm sich einen Mietwagen, holte seine Mutter ab und fuhr mit ihr nach Houston. Er war so müde, dass seine Mutter ihm Lieder vorsingen musste, damit er nicht am Steuer einschlief. Gegen vier Uhr morgens kamen sie in Houston an, wo sie sofort von Davids behandelndem Arzt, Archie Bleier, empfangen wurden. Was als Nächstes passierte, war ein Beweis dessen, wozu die moderne Wissenschaft in der Lage ist.
    Gerade einmal drei Stunden dauerte es, bis die Ärzte eine Knochenmarkbiopsie durchgeführt und die genaue Krebsart diagnostiziert hatten. Anschließend machten sie sich daran, den gefährlich hohen Anteil an weißen Blutzellen in seinem Blut zu reduzieren. Von der Innenseite des Oberschenkels entnahmen sie ihm Blut, dem in einer Zentrifuge ein Teil der weißen Blutkörperchen entnommen und das anschließend in seinen Körper zurückgeleitet wurde. Bis Mittag hatten sie sein gesamtes Blut zentrifugiert, und der Leukozytenwert war auf unter 100 000 gesunken.
    David war einer der vielen jungen Sportbegeisterten, die in Austin ein gutes Auskommen gefunden hatten,

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