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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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Stammzellen aus Barts Knochenmark waren – und Davids größte Hoffnung darauf, weiterleben zu dürfen.
    Nach der Transplantation – mit der ein Teil von Barts Leben in David überging – mussten wir 100 Tage warten, bis feststand, ob die Übertragung geglückt war. Tag für Tag zog sich dahin, David litt, Bart hoffte, und ich sah aus der Ferne zu. Ich schickte von allen meinen Reisen Postkarten, Geschenkkörbe oder E-Mails. »Die Kraft liegt in dir«, schrieb ich an David. »Du musst nur daran glauben.«
    Anfang Mai rief mich Bart an. »David geht es gut«, sagte er mit zitternder Stimme. »David kommt nach Hause.«
    Am 6. Mai 2003 kehrte David heim nach Austin. Seine Thrombozytenzahl hatte wieder einen Normalwert erreicht. Er hatte die Leukämie besiegt. Gegen die Nervenschmerzen musste er zwar immer noch 18 verschiedene Medikamente nehmen, er hatte 50 Pfund Gewicht verloren – der Krebs nimmt einem Masse weg –, er hatte seinen Job verloren und den Körper, wie er ihn gekannt hatte, und er hatte noch viele Monate Rehabilitation mit ungewissem Ausgang vor sich. Aber er war zu Hause.
    Ich war nicht da, als er nach Hause kam – ich war gerade in Europa –, aber ich schickte ihm ein Geschenk: ein Fahrrad, ein schwarzes, verdammt gut aussehendes Mountainbike von Trek. Bart montierte es in Davids Wohnzimmer auf eine Rollenbank und schloss es an einen Heimtrainer an. Als Teil seiner Rehabilitation trainierte David jeden Tag auf dem Fahrrad. Er setzte sich drauf, schaute sich im Fernsehen Baseballspiele an und kurbelte. Wir hofften, seine Kraft würde zurückkehren, aber es kam anders. Einen Monat später hatte er einen Rückfall, und währendich dies schreibe, war er zurück bei seinem Doktorteam im M.D. Anderson. Der Kampf begann von neuem.
    Nichts von dem, was wir tun, tun wir alleine, keiner von uns. Ich habe den Krebs ganz bestimmt nicht alleine bekämpft oder meine Gesundheit mit einem heroischen Solotrip zurückerobert. Überlebt habe ich nur dank der Hilfe von sechs Ärzten, vier Zyklen Chemotherapie, drei Chirurgen, einer hingebungsvollen Mutter, Dutzender unermüdlich um mich besorgter Freunde und mehrerer von meiner Launenhaftigkeit schwer geprüfter Krankenschwestern, darunter meiner Krankenschwester auf der onkologischen Abteilung, LaTrice Haney. Eine wichtige Rolle dabei spielte der Umstand, dass sie untereinander nicht stritten oder sich gar bekämpften. Meine Freunde kümmerten sich abwechselnd um mich, und keiner meiner Ärzte widersprach, wenn ich eine zweite Meinung einholen oder mich woanders untersuchen lassen wollte. Vielmehr waren sie gemeinsam darum bemüht, mich zu heilen. Wir konnten nur versuchen, dasselbe für David zu tun.
    Als ich 1999 auf dem Weg zu meinem ersten Tour-Sieg war, wusste ich, dass die Belegschaft meiner alten Krebsstation mit mir mitfieberte. Jeden Tag auf dem Fahrrad sah ich vor meinem geistigen Auge den Flur im Medical Center der Indiana University in Indianapolis, wo, wie ich vermutete, LaTrice vor dem Fernseher stand, mir voller Nervosität die Daumen drückte und sich fragte, ob meine Lungenkapazität wohl für die Berge ausreichte. Ich wusste, dass LaTrice jeden Morgen zur Arbeit kam, auf den Fernsehschirm zeigte und voller Stolz zu jedem, den sie gerade behandelte, sagte: »Der da war mal Patient hier.« Ich habe es nicht vergessen.
    Jedes Mal, wenn ich die Ziellinie überquere, springt sie im Zimmer herum und umarmt alle – Ärzte, Patienten und Krankenschwestern –, die gerade greifbar sind. Einmal sagte sie zu mir: »Du hast uns gespürt. Ich weiß, dass du uns gespürt hast.« Und das hatte ich.

Wer will schon ein Einzelgänger sein, wenn er all das haben kann? Jeder, der glaubt, er könne es alleine schaffen, steht am Ende ohne Freunde da, umgeben von grimmigen Rivalen. Alleine gelangt niemand an die Spitze.

Kapitel 7
    Meine Parkbank
    I ch will ganz offen sein: Ich wache nicht jeden Morgen mit dem Wunsch auf, an diesem Tag anderen Menschen eine Inspiration zu geben oder ein Vorbild zu sein. An manchen Tagen habe ich noch nicht einmal Lust, mir die Schuhe anzuziehen. Dann tappe ich einfach barfuß durch die Gegend, lasse den Saum meiner Jeans durch das texanische Gras schleifen und denke über so komplizierte Dinge nach wie die Frage, ob ich nun ein Bier trinken oder doch lieber Golf spielen soll – und beschließe meistens, ein Bier für jedes Loch zu trinken, das ich beinahe gespielt hätte.
    Nach meinem vierten Sieg bei der Tour de France hörte ich

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