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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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der Sieger der Tour das Preisgeld in Höhe von 400 000 Dollar unter seinen Teamkollegen aufteilt, wussten oder ahnten sie, dass in den Umschlägen ihre Schecks waren. Was sie aber nicht wussten, war, dass ich, als ein persönliches Dankeschön von mir, die Summe kurzerhand verdoppelt hatte. Es dauerte nicht lange, bis mich die ersten Jungs völlig aufgedreht auf dem Mobiltelefon anriefen. Bei einem Anruf hörte ich, wie im Hintergrund ein Umschlag aufgerissen wurde und jemand sagte: »Da muss doch ein Fehler passiert sein? Er hat ’ne Null zu viel auf den Scheck geschrieben.«
    Wir zogen bis spät in die Nacht durch Paris; fragen Sie mich nicht, wo die anderen am Ende alle landeten. Einige, George zum Beispiel, machten die ganze Nacht durch. Floyd ging als Erster von allen ins Bett. Er und seine Frau hatten sich zwei Monate nicht gesehen und verabschiedeten sich bereits um Mitternacht. Floyd war so müde, dass er noch nicht einmal Worte dafür fand zu sagen, wie erschöpft er war. Bereits eine Dusche zu nehmen kam ihm wie Schwerstarbeit vor.
    Floyd hatte uns geholfen, den Sieg zu erringen, und hatte dadurch auch sich selbst geholfen. Mit dem Preisgeld konnte er seine Schulden restlos abbezahlen und bekam von Postal obendrauf noch einen neuen Vertrag: einen großzügigen Zweijahresvertrag, der ihm das Doppelte seines bisherigen Gehalts sicherte. »Ichhatte noch nie, egal wofür, einen Zweijahresvertrag«, sagte er. Floyd war völlig hin und weg.
    Warum soll man sich, statt allein seine eigenen Interessen zu verfolgen, für eine gemeinsame Unternehmung engagieren, selbst wenn man sich manchmal fragt, was für einen selbst dabei herausspringt? Eigeninteresse ist isolierend. Wenn man mit anderen zusammenarbeitet, ist man füreinander verantwortlich und viel weniger geneigt, sich vor seiner Verantwortung zu drücken oder seine Partner zu hintergehen. Das ist nicht nur leistungssteigernd, sondern auch noch wohltuend. Man ist niemals alleine, und das ist, gleichgültig, ob man auf einem zehn Kilometer langen Anstieg eine Meute von Angreifern im Nacken hat oder ob ein Chemo-Zyklus vor einem liegt, überaus tröstlich.
    Profisportler denken die ganze Zeit an »mein Spiel«. Aber dein Spiel gehört dir nicht, wenn du in einem Team bist – etwas wie »mein« Spiel darf es in einem Team nicht geben, nur das Spiel. Dein Einsatz gehört deinen Teamkollegen, und ihrer gehört dir, und das eine lässt sich vom anderen nicht trennen. Dasselbe gilt für jeden Zusammenschluss von Menschen, die gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten.
    Ich definiere ein Team als eine Gruppe von Menschen, die dasselbe Ziel, dieselben Erfahrungen und dieselben Werte teilen. Getreu dieser Definition verstehe ich auch die Allianz der Menschen, die gegen den Krebs kämpfen, als mein Team. Ich bin mir ihrer stets bewusst, so wie sie sich meiner bewusst sind, und ich treffe immer wieder Menschen, die verängstigt und verzweifelt sind, Menschen, die mich daran erinnern, dass ich einmal sehr krank war, dass ich die Krankheit besiegt habe und dass sie meine Geschichte verfolgen. Und anders als bei einem Rennen findet diese Geschichte kein Ende.
    Du denkst, es ist vorbei, aber das ist es nicht. Es ist niemals vorbei.
    Am Morgen nach unserer privaten Siegesfeier suchte Bart mich im Hôtel de Crîllon auf. Übermüdet und leicht verkatert saßich in meiner Suite und gab gerade Interviews, als er im Gang vor meinem Zimmer auftauchte, bleich und mit stark geröteten Augen. Bill empfing ihn an der Tür, warf einen Blick in sein Gesicht und fragte: »Bart, was ist passiert?«
    Bart rang um Worte. Er hatte an diesem Morgen einen Anruf aus Austin erhalten: Sein jüngerer Bruder David war gerade mit einer besonders aggressiven Form von Krebs diagnostiziert worden und lag bereits im Saint David Hospital, wo er Bluttransfusionen erhielt.
    Ich ging hinaus auf den Flur. »Was ist hier los?«
    »Bart hat gerade erfahren, dass sein kleiner Bruder Krebs hat«, sagte Bill.
    Ich starrte Bart einen Moment lang an. »Okay«, sagte ich. »Machen wir uns an die Arbeit. Bringen wir das wieder in Ordnung.«
    Bill legte Bart einen Arm um die Schulter, und ich tat es ihm gleich. Gemeinsam richteten wir ihn auf und führten ihn hinein. In meiner Suite herrschte das blanke Chaos. Kik und ich waren gerade am Packen, die Kinder tobten durch das Zimmer, und dann waren da noch die Leute von der Presse.
    Nachdem Bill die Journalisten hinauskomplimentiert hatte, erzählte Bart mit stockender Stimme,

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