Jeden Tag ein Happy End
Sie, fühlen wir uns gezwungen, nur diejenigen zu jagen, die weglaufen?‹ Das ist aus ›Gefährliche Liebschaften‹.« Er betonte das Wort »gefährlich«.
»Ich werde sie finden«, gab ich voller neu gewonnener Entschlossenheit zurück.
»Um es mit Richard Gere zu sagen: Du gerätst immer in komplizierte Beziehungen ohne Zukunft.«
»Hast du schon mit Bernies Arzt gesprochen?«, wechselte ich das Thema und ging auf das Gebäude zu.
»Noch nicht«, sagte Gary, »aber ich habe gesehen, dass es gerade preiswerte Flüge von New York nach Fort Lauderdale gibt. Ich will dich ja nicht unter Druck setzen, aber ich will auch nicht, dass du irgendeinen Mist baust.«
Dafür war es wohl zu spät.
»Damit würde ich gegen die Richtlinien dieser Einrichtung verstoßen«, erklärte mir die studentische Hilfskraft des Fachbereichs für Journalismus. Ich hatte gehofft, sie würde meine Mission so romantisch finden, dass sie mir einen kurzen Blick auf die Einschreibeliste der Masterstudenten gewährte. Dann wüsste ich endlich Melindas Nachnamen. Aber sie musterte mich nur empört durch ihre Nickelbrille.
»Könnten Sie mir denn vielleicht wenigstens bestätigen, dass überhaupt eine Melinda für diesen Jahrgang eingeschrieben ist?«, fragte ich.
»Das verstößt ebenfalls gegen unsere Richtlinien«, sagte sie und drehte den Computerbildschirm etwas mehr in ihre Richtung.
Das unordentliche Büro war mit sperrigen Möbelstücken vollgestellt, was sich anscheinend auch auf die Psyche der Mitarbeiter auswirkte. Ich sah immer wieder zur offenen Tür hinüber, in der Hoffnung, Melinda würde dort vielleicht vorbeigehen.
»Haben Sie dann vielleicht ein Vorlesungsverzeichnis für mich, wenn ich schon mal hier bin? Das ist ja auch online verfügbar.« Das hatte ich mir gerade ausgedacht.
»Das ist garantiert nicht online verfügbar«, entgegnete sie trocken. Entweder war sie richtig gut im Pokern, oder sie hatte noch eine Wahnsinnskarriere in der Schadensregulierung einer Versicherung vor sich.
»Ach, mit einem bisschen Suchen …«, sagte ich leichthin.
»Das bezweifle ich.«
Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass ich Journalist bei ›The Paper‹ war, aber damit würde ich wirklich gegen sämtliche ethischen Grundsätze verstoßen. Während ich noch darüber nachdachte, wie ich weiter verfahren sollte, kamen zwei studentische Möchtegern-Künstler in Karohemden herein.
»Haben Sie noch Anmeldebögen?«, fragte einer.
Meine Widersacherin händigte ihnen wortlos ein paar Formulare aus, und die beiden Jungs verschwanden wieder. Als Nächstes kam ein Mann mit Dreadlocks herein, gab ein Manuskript für einen Professor Rubin ab und war schon wieder draußen.
»Ganz schön viel los heute, was?« Sie sah mich nur böse an. »Okay«, sagte ich, »Sie dürfen keine privaten Informationen weitergeben, kann ich verstehen. Dann warte ich eben einfach. Und zwar hier.«
»Hier?« Sie runzelte die Stirn.
»Sieht ja so aus, als ob hier früher oder später jeder malvorbeikommt, dann werde ich also einfach zwischen den Kursen und in der Mittagspause ein bisschen hier herumsitzen. Jetzt habe ich zum Beispiel auch gerade Zeit.« Noch etwa acht Minuten, aber das wusste sie ja nicht. »Also leiste ich Ihnen ein bisschen Gesellschaft. Erst mal die nächste Woche. Oder die nächsten zwei. Je nachdem, wie lange es dauert, bis Melinda hier auftaucht. Und Sie müssen sich keine Sorgen machen, gegen irgendwelche Regeln zu verstoßen.«
»Herumlungern ist auch gegen die Regeln«, sagte sie. »Wir haben hier strikte Vorgaben, was Besucher angeht.«
»Aber ich bin ja kein Besucher, ich bin Student.« Ich hielt ihr kurz den N. Y. U.-Studentenausweis unter die Nase, mit dem ich auch ins Gebäude gelangt war. Ich hatte ihn vor ein paar Jahren für einen Französischkurs hier im Haus bekommen. Je parle plus mauvais français! Einer genaueren Inspektion würde er zwar nicht standhalten, aber das musste dieser Höllenhund ja nicht wissen. »Vielleicht schreibe ich mich sogar für einen Journalismus-Workshop ein«, fuhr ich fröhlich fort.
»Dafür benötigen Sie die Zustimmung des Fachbereichsleiters.«
»Danke für den Tipp!« Ich ließ mich in einen vinylbezogenen Sessel plumpsen.
»Heute Abend findet eine Lesung mit Joan Didion statt, bei der alle Studenten anwesend sein sollen.« Mittlerweile klang sie fast verzweifelt. »Informationen dazu finden Sie online.«
Die Lesung fand im N. Y. U.-Studentenzentrum im südlichen Teil des Washington
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