Jeden Tag ein Happy End
Interview aber irgendwie noch in die richtige Richtung bringen. »Es geht mir aber nicht um die Geschichten der anderen Bräute«, sagte ich. »Ich würde sehr gern über die Frau schreiben, die in Ohio aufgewachsen ist, die Karriereleiter bei ›Elle‹ erklommen und dafür gesorgt hat, dass ihr zukünftiger Ehemann verhaftet wurde.«
»Das schreiben Sie doch aber nicht in den Artikel, oder?«, fragte sie. Ihre braunen Augen sahen mich erschrocken an.
Natürlich würde ich darüber schreiben. Damit hatte ich Renée überzeugt, mich den Artikel machen zu lassen. »Stimmt es denn nicht?«, fragte ich zurück und hoffte, sie würde mir endlich mehr erzählen.
»Ich habe nicht dafür gesorgt, dass er verhaftet wurde.« Mehr sagte sie nicht.
»Das klang bei ihm aber ganz anders.« Manchmal musste ich eben Bob Eubanks spielen, der in seiner Hairatsshow frisch vermählte Paare getrennt voneinander befragte.
»Ich wusste gar nicht, dass mein Verlobter so ein Plappermaul ist«, sagte sie. »Hat er Ihnen auch davon erzählt, wie er mich in der U-Bahn angemacht hat?« Ich hatte nur gehört, dass sie sich im überfüllten R-Train kennengelernt hatten. Er hatte ihr seinen Sitzplatz angeboten, und dabei war der Funke übergesprungen. Nach seiner Darstellung der Ereignisse war es beiden so gegangen.
»Ich fand ihn schon süß«, gab sie zu und wurde rot. »Gut aussehend. Okay, sehr gut aussehend.«
Niemand zweifelte daran, dass Mike, einsachtzig groß und früher Profiskifahrer, gut aussah. Trotzdem hatte sie das Bedürfnis, ihn zu beschützen. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich so jemanden wie sie an meiner Seite hätte.
»Als ich aussteigen wollte, fragte er mich nach meiner Telefonnummer.« Natürlich hatte er das getan. Das tun normale Menschen eben.
»Ich habe sie ihm aber nicht gegeben«, fuhr Amy leise fort. Ich dachte, ich hätte mich verhört. »Er hat genauso verwirrt ausgesehen wie Sie jetzt«, lachte sie.
Ich war eigentlich immer sehr stolz darauf, dass man mir meine Emotionen nicht sofort ansah, aber ich war tatsächlich verwirrt. »Ich denke, Sie fanden ihn attraktiv.«
»Ich gebe doch nicht jedem Typen, den ich in der U-Bahn treffe, einfach so meine Nummer«, protestierte sie.
»Aber da war doch ein Knistern zwischen Ihnen«, brach es aus mir heraus. »Er hat Ihnen seinen Platz angeboten.« Wenn jemand wie Mike Russo es nicht mal schaffte, hatte ich ja wohl gar keine Chance.
»Er war irgendein netter Fremder. Wissen Sie, wie viele Verrückte in dieser Stadt herumlaufen? Und wo wir gerade von Verrückten sprechen, am nächsten Morgen stand er am Bahnsteig und hat auf mich gewartet. Direkt hier am Union Square.«
»Woher wusste er denn, wann Sie zur Arbeit gehen?«
»Woher wusste er überhaupt, wo ich wohne?« Sie strich sich eine dunkle Strähne hinters Ohr. Ihre Haare erinnerten mich an Melindas. »Als ich ausgestiegen bin, hätte ich ja auch essen gehen oder eine Freundin besuchen können. Es war verrückt. Er war verrückt. Er stand seit sechs Uhr morgens an der Haltestelle und hat dort gewartet, bis ich um acht Uhr dreißig aufgetaucht bin.« Ich war beeindruckt. Er hatte keinerlei Garantie dafür gehabt, sie jemals wiederzusehen.
»Er kam auf mich zu und sagte Guten Morgen, als wäre es das Normalste der Welt, und hat mich angestrahlt. Ich habe ihn gefragt, wieso er so lächelt, und er sagte: ›Wennich Sie sehe, kann ich einfach nicht anders!‹, was ja wohl die kitschigste Anmache der Welt ist. Das hab ich ihm auch gesagt. Er meinte, er würde noch viel schlimmere Sprüche kennen, und nach drei Jahren Beziehung mit ihm kann ich das bestätigen. Schließlich hab ich ihn gefragt, ob er in der Nähe wohne, und er meinte: ›Nein, ich bin nur hier, um Sie zum Essen einzuladen.‹ Ich konnte einfach nicht fassen, wie dreist er war.« Das konnte ich auch nicht, aber er war eben ein kameraerfahrener Dating-Coach. Normalsterbliche konnten mit so einem Selbstbewusstsein natürlich nicht aufwarten.
»Ich habe gesagt, ich wäre schon verabredet«, sagte sie.
»Und was hat er geantwortet?« Ich war sehr neugierig, wie ein Mensch wie Mike mit einem Korb umgeht.
»Am nächsten Morgen stand er wieder da.« Er war gerade zu meinem persönlichen Helden befördert worden. »Dieses Mal hatte er Kaffee von ›Starbucks‹ und Mini-Cupcakes vom ›Crumbs Bake Shop‹ dabei. Er hat mich wieder um ein Date gebeten, und ich habe wieder Nein gesagt.«
»Wieso?« Langsam nahm ich ihre Ablehnung persönlich.
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