Jeden Tag ein Happy End
geraucht«, gestand Brooke.
»Glauben Sie ihr kein Wort«, sagte Roxanne. »Ich war ein vorbildliches Kind. Und falls Rabbi Snyder fragt: Ich habe keine Ahnung, was es mit dem Kasten Manischewitz auf sich hat, der am Sederabend ’92 auf mysteriöse Weise verschwunden ist.« Damit verabschiedete sie sich, um den Fotografen einzuweisen.
Brooke und ich spazierten die Terrasse entlang. Auf dem gepflegten Rasen unter uns standen weiße Stuhlreihen. Der Rasen endete in einem steilen Abhang, von dem Holzstufen im Zickzack nach unten bis zu einer Privatbucht führten.
»Klingt ja nach einer ganz schön wilden Schulzeit«, sagte ich und stöhnte im selben Moment fast auf, als ich merkte, wie gezwungen das klang.
Brooke schwieg. Ich wusste nicht genau, ob es ihr unangenehm war, ob sie das Thema langweilte oder ob ich selbst sie vielleicht langweilte. Eigentlich war es aber auch egal. Ich würde jetzt sicher nicht meinen Job riskieren, nur weil eine Frau derselben Religion angehörte wie ich und in einem Handtuch umwerfend aussah.
»Wollen wir uns schon mal hinsetzen?«, fragte sie.
»Ich stehe eigentlich immer eher im Hintergrund«, erwiderte ich.
»Kein Problem, dann komme ich mit.« Ich überlegte, ob sie mir nur bei meiner journalistischen Tätigkeit behilflich sein oder mehr Zeit mit mir verbringen wollte. Das spielte keine Rolle, hielt ich mir erneut vor Augen.
Die Sonne versank am Horizont. Rabbi Snyder trat unter den Traubaldachin aus Bambusstäben und Palmwedeln und begann mit der Zeremonie. Fünf braun gebrannte Brautjungfern stolzierten mit weißen Kerzen in der Hand anuns vorbei. Sie trugen pinkfarbene, eng anliegende Kleider, die den Blick auf erstaunlich üppige Dekolletés freigaben. Moment! Nicht nur die Kleider der Brautjungfern waren identisch. Sondern auch ihre Oberweiten.
»Ja, die waren alle beim selben Chirurgen«, flüsterte mir Brooke zu. »Das hast du aber nicht von mir gehört«, fügte sie hinzu und lächelte verschwörerisch.
Sie war hinreißend. Ich war in ernsten Schwierigkeiten.
Jedes Mal, wenn ich Brooke ansah, bereute ich, dass ich sie in ihrer Wohnung nicht einfach geküsst hatte. Also versuchte ich zu vermeiden, sie anzusehen, was es aber nicht besser machte. Ich fühlte mich wie ein halb Verhungerter vor einem Stück Kuchen. Mein Instinkt sagte mir, ich sollte mich einfach drauf stürzen, aber schon der Gedanke allein war respektlos gegenüber Brooke und auch gegenüber der Zeitung. Ich schwor mir, mich nach der Zeremonie nur noch auf meine Arbeit zu konzentrieren und etwas mehr Distanz zu wahren.
Ich mischte mich unter die Gäste, die nun zu einem von Kerzen erleuchteten Zelt hinüberspazierten, in dem ein aufwendiges Buffet aufgebaut war. Es gab geräucherten Heilbutt, Lammkeule und noch eine Unmenge weiterer Köstlichkeiten. Zwischen den Tischen mit den weißen Leinendecken standen kleine Propanheizkörper, die aussahen wie Lampen. An der Decke hingen chinesische Laternen wie rot glühende Wegmarkierungen.
Buffets stellten immer eine besondere Herausforderung für mich dar, weil ich als Interviewer mit dem Essen um die Aufmerksamkeit der Gäste konkurrierte. Bei einer jüdischen Feier hatte ich da keine Chance. Sich zwischen die Gäste und die gefüllten Champignons zu stellen, hätte den sicheren Tod bedeutet.
»Meinen Sie, wir haben es mit dem Aufwand ein bisschen übertrieben?«, fragte Roxanne und lehnte ihren Kopf an den ihres Mannes. Sie klang zwar cool, ihre Körpersprache drückte jedoch das Gegenteil aus.
»Überhaupt nicht«, versicherte ich ihr. Ich sah mich um, und mein Blick wurde sofort magisch von Brooke angezogen. Ich sah schnell woandershin.
»Ist es so, wie Sie – wie sagt man – Erwartung hatten?«, fragte Ari. Natürlich waren die beiden, mit denen ich kein Interview mehr zu führen brauchte, die Einzigen, die sich unbedingt mit mir unterhalten wollten.
»Ich hatte mit mehr Sportlern gerechnet«, antwortete ich. Eigentlich hatte ich auch mit Matt Lauer gerechnet, aber ich wollte ja nicht klingen, als wäre ich nur hier, um meine Karriere voranzubringen.
»Meine Teamkollegen müssen trainieren«, antwortete Ari. Er hatte kurze Haare und tief liegende Augen. Er war nur ein paar Zentimeter kleiner als ich, wirkte aber doppelt so breit.
»Ari ist nur noch bis Dienstag in den USA«, sagte Roxanne. »Wir fliegen erst nach Peking in die Flitterwochen.«
Ein ungünstiger Zeitpunkt also für die Hochzeit. Ob sie wohl schwanger war? »Und wieso haben Sie
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