Jeden Tag ein Happy End
Kinderchirurgen ausbilden lassen und arbeitete ehrenamtlich noch als Feuerwehrmann, nachdem er zwei Jahre lang mit Ärzte ohne Grenzen im Kongo verbracht hatte. Spätestens seit dieser Information war Hope ihm verfallen.
»Er kümmert sich einfach gern um Menschen«, sagte sie in einem Tonfall, in dem man sonst nur über Mutter Teresa oder Bono spricht. Ich hatte noch nie erlebt, dass Hope sich so schnell in jemanden verliebte. Die beiden sahen sich bereits zweimal die Woche, und sie sprach von nichts anderem mehr. Um ehrlich zu sein, hing mir das Thema schon fast zum Hals raus. Ich freute mich, dass sie jemanden gefunden hatte, aber ihr Erfolg hielt mir nur noch mehr vor Augen, was für ein Loser ich war. »Loser« war zwar weder ein politisch korrekter noch psychologisch sehr hilfreicher Begriff, aber so fühlte ich mich nun einmal. Was die einfachsten Dinge im Leben anging, war ich nun mal ein Loser. Ja, ja, ich weiß, in unserer modernen multikulturellen Welt hat natürlich jeder Lebensstil seine Daseinsberechtigung, aber für die Millionen von Leuten, die keine ›Oprah‹-Zuschauer waren, verstieß Single zu sein eben doch irgendwie gegen die soziale und biologische Norm. Makroökonomisch gesehen stellte mein Einzimmerapartment in Manhattan eine Verschwendung des ohnehin schon knappen Wohnraums und der stetig schwindenden Energieressourcen dar. Man könnte auch noch einen Schritt weiter gehen: Laut Darwin (und Richard Dawkins) war mein einziger Zweck auf diesem Planeten die Fortpflanzung. Und soweit ich wusste, war ich dem noch nicht nachgekommen. Es ging hier nicht mehr nur darum, dassich die vielen 2-für-1-Sparangebote nicht nutzen konnte – ich erfüllte meine Pflicht gegenüber meiner Spezies nicht.
Normalerweise versuchte ich, mein Singleleben nicht als Anomalie zu betrachten. Oder genauer gesagt: Ich versuchte, überhaupt nicht darüber nachzudenken. Nach so vielen Jahren gehörte die Einsamkeit so sehr zu mir wie meine karierte Wolldecke, die ich in besonders kalten Winternächten hervorholte. Mit Mitte zwanzig hatte ich mir immer noch vorgestellt, wie es wäre, wenn zu Hause jemand auf mich warten würde. Auf dem Nachhauseweg war ich dann schon ganz aufgeregt. Ich schloss die Tür auf und sah einen kurzen Moment lang tatsächlich ihre Haare vor mir, ihren Nacken, hörte ihre Stimme. Ich weiß nicht mehr genau, wann ich mit diesen Tagträumen aufgehört habe, aber es war auf jeden Fall besser so. Ich fand es bestürzend, dass Laurel die einzige Frau war, die jemals einen Schlüssel für meine Wohnung gehabt hatte. Trotzdem schlief ich immer nur auf meiner Seite der Matratze und ließ damit Platz für eine bessere oder zumindest eine andere Zukunft.
Als ich in L. A. eintraf, fühlte ich mich plötzlich seltsam belebt und voller Tatendrang. Vielleicht lag es an den drei Stunden, die ich gewonnen hatte. Oder daran, dass mich Brooke Brenner, Roxannes PR-Frau, wie einen Promi behandelte. Wenige Minuten nach der Landung hatte ich bereits eine SMS von ihr. Sie wartete draußen vor der Gepäckausgabe und würde mich gleich zur Hochzeit fahren. Gary würde mich dann später von dort abholen und mich mit nach Burbank nehmen, wo ich heute übernachtete. Dadurch ersparte ich der Zeitung die Ausgaben für Hotelzimmer und Mietwagen. Ich hoffte sehr, damit ein paar Pluspunkte zu sammeln.
Da ich Brooke noch nie persönlich begegnet war, hatte sie mir per E-Mail ein Foto geschickt – von ihrem Auto. Ein rotes Mini-Cooper-Cabrio. Darin saß eine gebräunte, junge Frau mit seidigen blonden Haaren und einer riesigen Chanel-Sonnenbrille und trank einen Eiskaffee von ›Starbucks‹. Sie hatte ein breites Lächeln und strahlend weiße Zähne. Ich musste an dieses berühmte Poster von Farrah Fawcett denken. Brooke trug zwar keinen Badeanzug, aber sehr viel mehr wurde von ihrem engen weißen, ärmellosen Oberteil auch nicht bedeckt.
»Spring rein«, sagte sie mit einer einladenden Handbewegung. Offenbar waren wir beim Du angekommen. Aber gern doch. Ich warf meine Tasche auf den Rücksitz, und während ich noch mit meinem Sicherheitsgurt beschäftigt war, brauste sie schon vom Flughafengelände hinunter und in den strahlenden Sonnenschein hinein.
»Wozu das Jackett?«, fragte sie. Ich trug bereits die Sachen für die Hochzeit, einen hellgrauen Anzug mit passender Krawatte. Sie war offensichtlich noch nicht umgezogen. Der Wind wirbelte ihre Haare durcheinander, während sie im Zickzack zwischen den Spuren hin und her
Weitere Kostenlose Bücher