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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Devan Sipher
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Dieser Typ war offensichtlich eher eine Art Butler und kein Wachmann. Irgendein alter Bediensteter, der gern seine Nase in die Familienangelegenheiten steckte.
    »Gavin«, sagte Melinda, »hast du schon meinen unverbesserlichen Großvater kennengelernt?«
    Oh mein Gott, bitte nicht.
    »Wir sind uns vorhin schon mal über den Weg gelaufen«, knurrte er kurz und wechselte dann schnell das Thema. »Alexander möchte vor dem Dessert noch einen Toastaussprechen.« Nach dieser Information brach er wieder in Husten aus.
    »Hast du deine Tabletten genommen?«, fragte sie.
    »Das ist bloß meine Allergie«, wiegelte er ab. »Wenn du deine Gäste noch länger warten lässt, können die ihr Gelato jedenfalls mit dem Strohhalm trinken.«
    Sie lief schnell aus dem Zimmer. Wie in Trance folgte ich ihr durch einen Torbogen aus Sandstein in einen gewaltigen, von Kerzen erleuchteten Speisesaal, wo schon alle saßen und warteten. Ich spürte die physische Nähe ihres Großvaters, der nur wenige Zentimeter hinter mir stand, während ich versuchte, zu verstehen, was hier eigentlich gerade geschehen war. Ich muss einen sehr angespannten Gesichtsausdruck gehabt haben, denn der Mann neben mir hörte nicht auf, mich anzustarren. Er kam mir irgendwie bekannt vor, lockige dunkle Haare, Aknenarben …
    »Sind Sie nicht der Typ von der Silvesterparty?«, fragte er. Sein australischer Akzent half meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Dieser Abend hielt anscheinend noch viele schreckliche Erinnerungen für mich bereit.
    Zögernd streckte ich Jamie, meinem einstigen imaginären Rivalen um Melindas Gunst, die Hand hin. Wenn doch wirklich alles nur so einfach gewesen wäre.
    »Was machen Sie denn hier?« Dass ich immer noch existierte, verwunderte ihn offensichtlich. Ich erklärte ihm, dass ich bei ›The Paper‹ arbeitete, aber er schien immer noch verwirrt. »Krass! Das ist ja vielleicht ein Zufall. Melinda hatte es damals nämlich voll erwischt.«
    »Wie bitte?« Ich hatte mich wohl gerade verhört.
    »Es. Hatte. Sie. Erwischt«, wiederholte er langsam, als wäre ich schwer von Begriff. »Ist da eigentlich was gelaufen?« Ich war sprachlos und konnte nur den Kopf schütteln. »Schade. Obwohl ich schon ein bisschen eifersüchtigwar, muss ich ja zugeben. Ich hab es einfach nicht geschafft, bei ihr zu landen, egal, was ich versucht habe. Wenn man mit einem Mädchen völlig besoffen an einem Strand in Goa liegt und sie immer noch nichts von einem will, dann kann man’s vergessen.« Er sah mich an, aber ich war außerstande zu sprechen. »Sie müssen echt Zauberkräfte haben, ich hab Melinda an dem Abend ja kaum von der Party wegbekommen, und dann wollte sie auch noch mal zurück.«
    Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht handgreiflich zu werden und alles aus ihm herauszuschütteln. »Sie wollte noch mal zurück?«
    »Ja. Ich hab sie kaum ins Taxi bekommen. Keine Ahnung, was mit ihr los war. Ich fand die Party ja eher langweilig, aber sie ist wohl ganz schön auf Sie abgefahren. Hat gar nicht mehr aufgehört, über Sie zu reden, bis sie … na ja, bis sie Alexander kennengelernt hat.«
    Ich hörte ein Klingeln. Alexander schlug mit einem kleinen Löffel gegen sein Champagnerglas. »Ich möchte nur kurz ein paar Worte loswerden«, sagte er und sah dabei aus wie die Grinsekatze aus ›Alice im Wunderland‹. Er faltete dramatisch seine vorbereitete Rede auseinander.
    Um mich herum drehte sich der Raum in alle Richtungen gleichzeitig, als säße ich in einem riesigen Kreisel. Mir brach der Schweiß aus. Mein Atem ging stoßweise. Ich hatte Angst davor, zu hyperventilieren.
    »Ich bin der glücklichste Mann der Welt«, rief Alexander.
    Der glücklichste Mann der Welt. Der glücklichste Mann der Welt. Die Worte rasten mir durch den Kopf. Immer wieder. Sie ist wohl ganz schön auf Sie abgefahren. Nur Small Talk über das Reisen und über Thomas Mann. Man müsste doch schön blöd sein, sich eine Frau wie Melindadurch die Lappen gehen zu lassen. Die Gesichter der Umstehenden verschwammen vor meinen Augen, vermischten sich mit den Kerzen und dem Champagner. Und Melindas Lächeln. Melindas Lippen, die sich öffnen. Alexanders Lippen, die sich ihnen nähern. Der glücklichste Mann der Welt. Der glücklichste Mann der Welt.
    »Wenn man der Frau seiner Träume begegnet, dann fackelt man eben nicht lange«, sagte Alexander. Ihre Gesichter verschmolzen miteinander, und die Menge jubelte.
    Ich drehte mich weg. Ich konnte da nicht länger zusehen. Die

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