Jeden Tag ein Happy End
»Als ich sie erkannt habe, bin ich fast in Ohnmacht gefallen. Da sitze ich in diesem Flugzeug nach Madrid, und neben mir sitzt die Tochter des Besitzers der Altman-Kaufhauskette. Wunderschön und superreich.« Mein einziger Gedanke war, dass Altman ein jüdischer Name war.
»Sie haben mich neulich gefragt, wieso ich einfach meine Konferenz abgesagt habe und nach Barcelona gefahren bin.« Alexander beugte sich zu mir vor. »Die einzige Frage, die ich mir gestellt habe, war: Flugzeug oder Auto? Ich konnte nicht zulassen, dass sie einen anderen kennenlernt. Auf keinen Fall. Ich meine, man müsste doch schön blöd sein, sich eine Frau wie Melinda durch die Lappen gehen zu lassen, oder?«
»Hier steckst du also!« Ein stämmiger Mittdreißiger platzte in Begleitung einer magersüchtigen Zwanzigjährigen herein. »Alexander, wir müssen leider los.«
Alexander stand auf, und die beiden Männer klopften einander auf die Schultern. »Bleibt ihr nicht zum Nachtisch?«
»Ich seh ja wohl nicht aus, als bräuchte ich noch welchen, oder?«Ich verließ das Zimmer und spazierte den Flur hinunter. Meine Gedanken überschlugen sich. Melinda war eine reiche Erbin und ich ein Idiot. Nicht, weil sie eine Erbin war, sondern weil ich sie hatte gehen lassen. Ich hätte sie auf dem Dach einfach festhalten und ihr ewige Treue schwören sollen. Nein, ich hätte sie küssen sollen. Wieso verfolgte mich dieser eine Fehler und rächte sich immer und immer wieder? Ach so, stimmt. Weil ich mich immer und immer wieder in Situationen brachte, in denen ich mich damit auseinandersetzen musste. Im Kopf hörte ich, wie Hope mit mir schimpfte.
Im Vorbeigehen sah ich durch den Spalt einer angelehnten Tür ein Himmelbett, auf dem eine rosa Tagesdecke lag. Ich drückte die Tür vorsichtig ein Stück weiter auf. Eigentlich hatte ich hier nichts zu suchen. Ich schwor mir, in Zukunft weisere Entscheidungen zu treffen – gleich nachdem ich mich hier schnell umgesehen hatte. Volleyball-Pokale, ein Plakat für eine Schulaufführung und auf einer weißen Kommode zwei Fotos in Bilderrahmen: ein junges Mädchen auf den Schultern eines Mannes und dasselbe Mädchen, das sich mit einer Frau einen Milchshake teilt. Die Frau sah aus wie eine dunkelhaarige Ausgabe von Melinda. Hinter mir knarrte eine Diele, und ich drehte mich ertappt um.
Melinda stand in der Tür. Von einem der Kronleuchter im Flur von hinten angestrahlt und in ihrem Wickelkleid sah sie aus wie Lauren Bacall. »Ich weiß genau, was du vorhast«, sagte sie.
Es gab viele Möglichkeiten, wie sie diesen Satz meinen konnte, und die meisten davon waren ziemlich unvorteilhaft für mich. Ich wusste also nicht, was ich antworten sollte. Sie knipste das Licht an und kam herein. Das glänzende Kleid raschelte leise bei jedem Schritt.
»Ich war heute auf Gawker«, sagte sie und erinnerte mich damit an eins der vielen Ereignisse des heutigen Tages, die ich gern vergessen hätte. »Du bist anscheinend zur dunklen Seite übergelaufen. Und damit meine ich jetzt nicht Fox News.« Ihre Grübchen waren kurz zu sehen. »Dabei dachte ich, du wärst der letzte echte Romantiker.«
Flirtete sie etwa mit mir?
»Das bin auch«, sagte ich und versuchte mich an einer Charmeoffensive, die ich mit dem entwaffnendsten Lächeln der Welt startete. »Also, hoffentlich nicht der Letzte.«
Sie lachte. »Und wozu dann der Scheidungs-Blog?«
»Es ist ja gar kein Scheidungs-Blog.«
»Klingt jedenfalls danach. Und ziemlich makaber. Wie diese Reporter, die Krankenwagen hinterherfahren. Wo willst du denn Leute herbekommen, die sich mit dir über ihre gescheiterte Ehe unterhalten?«
»Manche Menschen sind füreinander bestimmt, und andere sind es eben nicht«, sagte ich. »Für die, die zusammengehören, ist eine Hochzeit eine wundervolle Erfahrung. Und für die anderen muss eine Trennung nicht zwangsläufig etwas Negatives sein.«
»Das hört man als Braut aber gar nicht gern.« Sie war rot geworden und wandte sich ab. Wieso unterhielt ich mich auf ihrer Verlobungsfeier mit ihr über Scheidungen? Ich wechselte das Thema. »Hier bist du also aufgewachsen?«
»Kann man so nicht sagen«, antwortete sie. Sie sah mich immer noch nicht an. »Ich bin in einer Fünfzig-Quadratmeter-Wohnung auf der Lower East Side groß geworden. Mein Vater war ein sehr sturer Mann.« Ihre Finger strichen sanft über den Bilderrahmen. »Mein Großvater hat mich bei sich aufgenommen, nachdem er gestorben ist.«
Toll gemacht, Gavin. Vom Thema Scheidung
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