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Jeden Tag, Jede Stunde

Jeden Tag, Jede Stunde

Titel: Jeden Tag, Jede Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natasa Dragnic
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aber meine kulinarischen Kreationen doch gar nicht verkaufen!« Und sie müssen wieder lachen, und so geht es immer weiter, und immer wird gelacht. Als wären ihre Köpfe und ihre Herzen wieder sechs und neun Jahre alt. Höchstens.
    »Das spielt keine Rolle! Wenn ich morgen meinen Bewunderern und Käufern und Journalisten, die mich nie in Ruhe lassen, sagen muss, was mein Lieblingsgericht ist, was sage ich denen denn dann?: Ach wissen Sie, da gibt es so etwas, ein Gericht mit viel Gemüse und Ziegenkäse, und dazu kommt noch Reis, und die Soße ist ganz dunkel, wahrscheinlich Tomaten und Rotwein …« Luka macht dabei komische Grimassen, übertreibt, und sie lachen.
    »Na gut, wenn du meinst, dann nenne ich dieses Gericht, für das es nicht einmal ein Rezept gibt, ›Lukazzoni‹, mit k geschrieben, natürlich!« Sie verbeugt sich, und er applaudiert, und sie sind glücklich, glücklicher als damals, als sie sechs und neun Jahre alt waren.
     
    Luka geht mit Dora durch die Stadt spazieren.
    Täglich arbeitet sie eine kleine Route aus, sie ziehen sich warm an, der erste Schnee ist schon da, sie trotzen aber der Kälte mit roten Nasen und erfrorenen Kiefern. Da ist Schluss mit Lachen! Eine Kälte, die so wehtut in der Nase, dass man am liebsten gar nicht atmen würde. Was natürlich ein Problem sein könnte. Sie reiben sich also gegenseitig die Ohren und hauchen sich die warme Atemluft ins Gesicht. Dora versucht sich immer wieder in Lukas Jacke zu verstecken, aber dann stolpern sie und landen nicht selten auf dem harten Boden. Dann versuchen sie zu lachen, aber es geht nicht. Alles gefroren. Steinhart. Kein Gefühl mehr. Aus und vorbei. Also beeilen sie sich und flüchten ins Warme.
    Manchmal aber ist der Himmel nicht so grau und die Sonne kämpft sich durch, und es gibt nur noch ein paar Wolken, die sich davorschieben, und dann sehen sie sich verschwörerisch an, Dora und Luka, ein wenig verlegen darüber, dass sie sich gegenseitig dabei ertappen. Und dennoch!
    »Da, Le penseur!«
    »Oh là là, wir fliegen aber hoch, mademoiselle!«
    »Aber so ist es, schau schnell, bevor der Wind ihn mitnimmt oder verwandelt!«
    »Ja, zum Beispiel in eine Kathedrale, deren Turm kaputt ist, eine Bombe wahrscheinlich.«
    »Du sollst keine Geschichten erzählen, das sind Figuren, keine Zeitabläufe! Und eine Kathedrale, von wegen! Man darf sich nicht einfach etwas ausdenken, es muss stimmen, sonst braucht man gar keine Wolken, man kann sich …«
    »Jetzt erinnere ich mich wieder! Genau so wie damals!«
    »Was heißt das, genau so wie damals?«
    »Wenn es nicht nach dir geht …«
    »Was heißt, nicht nach mir geht?«
    »… dann wirst du entweder traurig und heulst …«
    »Ich heule gar nicht, ich weine doch nie!«
    »… oder bist wütend und willst nicht mehr mit mir spielen.«
    »Du bist so kindisch, das ist so blöd, ich kann es nicht glauben, dass du das tatsächlich denkst!« Dora dreht sich weg und entfernt sich schnellen Schrittes und mit hängendem Kopf von ihm.
    »Und da wären wir. Wieder einmal.« Er lacht auf und schreit ihr hinterher: »Wollen wir schwimmen gehen? Zum Felsen?«
     
    Luka lässt sich von Dora führen und alles erklären.
    Zuerst zeigt sie ihm den Friedhof von Montmartre. Unzählige Stunden verbringen sie da: Dora will, dass er das Grab jedes berühmten, ihm meistens unbekannten Menschen sieht, sie kann nicht genug haben von diesen kalten, grauen Steinen. Doras Mund ist voller Namen, die schon deswegen so großartig klingen, weil sie sie ausspricht.
    Dann folgen alle Sehenswürdigkeiten der Reihe nach, und das, wie jeder weiß, nimmt kein Ende, nicht in Paris: Als bestünde die ganze Stadt nur aus berühmten Gebäuden und faszinierenden Denkmälern! Und als hätte hinter jeder Tür ein historisch wichtiges Ereignis stattgefunden, und als wäre in jedem Haus eine berühmte Persönlichkeit geboren worden! Luka fühlt sich müde schon beim Gedanken an den nächsten Tag und dessen Geheimnisse, die gar keine sind, denn sie sind in jedem oder aber wenigstens in einem der unzähligen Reiseführer zu finden. Und manchmal wünscht er sich, einfach nichts zu tun, die Augen zu schließen und eigene Bilder im Kopf produzieren zu dürfen. Schließlich aber kann er sich dem Charme dieser einzigartigen Stadt doch nicht entziehen und ist ihr verfallen wie Dora und Millionen andere Menschen weltweit. Obwohl für ihn nur ein Grund zählt: Es ist Doras Stadt.
     
    Luka wartet auf Dora, wenn sie im Theater ist.
    Manchmal

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