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Jeden Tag, Jede Stunde

Jeden Tag, Jede Stunde

Titel: Jeden Tag, Jede Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natasa Dragnic
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Essen. Es erinnert ihn an seine Bilder, an diese speziellen Farbmischungen, die sich manchmal nur durch einen Zufall ergeben, aber aus denen dann doch, oder gerade deswegen, Unvergessliches entsteht. Er probiert alles, er ist neugierig. Er versucht, selbst zu bestellen, und die Kellner, je nach Kategorie des Restaurants, schmunzeln, lächeln, lachen oder aber sind beleidigt, wenn er die Namen der Gerichte ausspricht: Es hört sich zwar französisch an – Luka ist musikalisch und ja auch schon einige Zeit hier! -, es bedeutet aber nichts, absolut gar nichts. Er würde verhungern, wenn es Dora nicht gäbe, so weit ist es gekommen.
    »Was würde ich ohne dich tun?«
    »Sterben.«
    Und allen ist alles klar.
    Dora schenkt ihm Neruda auf Spanisch.
     
    Luka lernt Doras beste Freundin Jeanne kennen.
    Und Papou, naturellement . Sie gehen alle vier im Parc Monceau spazieren, die jungen Frauen erzählen ihm lustige Geschichten aus ihrer Kindheit und lachen viel, und Luka ist neidisch, er wäre gern dabei gewesen. Und obwohl Papou schon sehr alt ist und sich kaum noch bewegen kann, hat Luka keine Schwierigkeiten, sich vorzustellen, wie wild und unbändig er seinerzeit gewesen ist. Bilder entstehen in seinem Kopf, einige von ihnen auch später im Atelier. Eins davon schenkt er Jeanne, das andere Dora.
    »Dora hat nie von dir gesprochen. Und ich bin ihre beste Freundin!«
    »Ich hatte ihn einfach vergessen.« Dora lügt nicht. Sie sieht ihn dabei voller Liebe an.
    »Du wolltest dich nicht an mich erinnern«, verbessert Luka sie.
    »Das verstehe ich nicht.« Jeanne sitzt zwischen den beiden im Café und sieht vom einen zum anderen.
    »Es hätte zu sehr wehgetan, an ihn zu denken. Ich dachte, ich würde es nicht überleben. Also habe ich es vergessen.« Doras Stimme wird brüchig, und Luka sieht sie besorgt an.
    »Jetzt bin ich aber hier. Und bleibe.« Er streckt den Arm über den Tisch und berührt ihr Gesicht, und Dora legt es in seine Hand. Sie schließt die Augen. Ein Lächeln flattert um ihren großen Mund, wie eine leichte Brise.
    »Eine verrückte Geschichte«, stöhnt Jeanne und bestellt noch ein Glas Wein. Ach was, eine Flasche! Für alle.
     
    Luka besucht mit Dora ihre Mutter.
    »Nein, das glaube ich nicht!!! Wie in einem Roman! Ich würde ihn glatt verlegen! Und ich hätte dich sogar wiedererkannt, ja wirklich. Der kleine Junge ist immer noch in dir zu sehen, in den Augen, ja, vor allem in den Augen. Sie erinnern mich an jemanden, Dora, an wen erinnern mich seine Augen, so grün, so tief und klar grün? Dora, was sagst du? Und deine Bilder, einfach fantastisch, schlicht und ergreifend wie von einer anderen Welt! Wie wäre es mit einer kleinen Monografie deiner Werke, was sagst du? Das ließe sich machen. Also, ich kann es immer noch kaum glauben. Nach so vielen Jahren, das passiert nicht jeden Tag. Kinder, merkt euch das, das ist etwas Einzigartiges. Seelenverwandtschaft hat Marc es genannt, als ich es ihm erzählt habe, du musst ihn unbedingt kennenlernen, Luka, ihr werdet hervorragend miteinander klarkommen, ihr seid ja alle Künstler! Dora, stell dir einmal vor, ihr seid alle Künstler! Ich freue mich so, dich wiederzusehen. Wenn ich daran denke, wie es damals war und wie unzertrennlich ihr wart, wie zwei zu lange gekochte Nudeln habt ihr aneinandergeklebt! Herrlich! Wir müssen uns doch öfters treffen, zusammen etwas unternehmen. Ich bin so glücklich, dass ihr euch wiedergefunden habt. Das ist richtig so. Schlicht und ergreifend richtig. Damals habe ich gedacht … Aber nein, wir wollen nicht darüber sprechen, jetzt wo alles wieder in Ordnung ist. Ja, meine Dorica, damals, es war nicht leicht …«
     
    Luka besucht mit Dora ihren Vater.
    Und nachdem Ivan seinen zweiten Cognac getrunken hat, lächelt er verlegen.
    »Also, das ist eine ganz ungewöhnliche Geschichte, ihr zwei.« Er schenkt sich ein drittes Glas ein. Er geht großzügig mit der kostbaren Flüssigkeit um. »Sie ganz sicher keinen?« Er zeigt mit dem Kopf auf die Flasche.
    »Nein, danke. Ich trinke nur Wein, aber nicht jetzt, ich will mich vor Ihnen nicht blamieren …« Luka lächelt, er ist auch ein wenig verlegen. Er tastet nach Doras Hand und drückt sie leicht. Sie ist da. Gut so.
    »Was haben Sie jetzt vor? Was sind Ihre Pläne?« Ivan setzt sich wieder in den alten Sessel, der vor sechzehn Jahren nagelneu und sehr modisch war. Heute ist er es weder noch. Und Dora weiß, dass er gerade deswegen sehr gut zu ihrem Vater passt, und das schmerzt

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