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Jeden Tag, Jede Stunde

Jeden Tag, Jede Stunde

Titel: Jeden Tag, Jede Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natasa Dragnic
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sagen. Für immer und ewig. Nur das zählt.
    »Kennst du überhaupt seinen Namen? Oder hattet ihr keine Zeit für solche Banalitäten?«
    »Luka.« Wie automatisch kommt diese Antwort, als könnte sie ihn nicht verschweigen, verleugnen. Vor allem nicht jetzt, wo sie ihn wiedergefunden hat.
    »Luka? Der Künstler? Von der Ausstellung? Der war das?« Er staunt zuerst, dann aber lacht er schallend. »Sicher, gleich mit dem Hauptdarsteller!«
    »Luka heißt er.« Dora ist abwesend, ihr Lächeln ist auch abwesend und verträumt. Sie ist in die Wellen des Mittelmeers eingetaucht. Aber das sieht André nicht. Niemand könnte es. Es ist eine ganz private Vorstellung. Eine Art Monolog.
    »Und du liebst ihn? Einfach so, über Nacht?« André schluckt hörbar, als würde er am eigenen Gedanken ersticken. »Buchstäblich über Nacht.«
    »Nein.«
    »Was dann?«
    »Mein Leben lang.«
    André sieht sie nur unverständlich an.
    »Buchstäblich.« Und Doras Gesicht glitzert wie die kurzen Kleider der Eiskunstläuferinnen.
    Und André verstummt.
    »Mein Luka.« Endlich kann sie ihn mit ruhigem Gewissen ansehen. »Mein Luka.« Sie kann das Glück in ihrer Stimme nicht verstecken. Es ist gewaltiger als ihre Bemühung, André nicht, oder so wenig wie möglich, zu verletzen.
    »›Mein‹ wie ›Mein Märchenprinz‹?« Es gelingt ihm nicht, so spöttisch zu klingen, wie er es gerne hätte, nicht so richtig. Denn sein Staunen sieht echt aus.
    »Ja, mon prince charmant.«

14
    Es ist entschieden. Mit ganz wenig Tränen und es wurde nur drei Mal gezählt, aber glücklicherweise erfolglos. Es gibt Sachen zu erledigen. Mitzuteilen. Vorzubereiten. Und ehe sie sich versehen, sind sie schon wieder zusammen. Es ist entschieden. Wann genau und wo genau wird noch besprochen werden müssen, aber es gibt Telefone, Gott sei Dank. Und sie lächeln in der Dunkelheit des Schlafzimmers, wo sie nicht aufhören können, sich zu lieben. Es ist entschieden. Luka ruft seinen Vater an und sagt ihm Bescheid. Zoran freut sich. Dora steht daneben und lächelt schwach. Sein Gewinn ist ihr Verlust. Es ist entschieden. Dora hat nicht das Gefühl, sie würde sterben. Noch nicht. Denn Luka ist noch da, sie kann ihn anfassen. Er kann sie lieben. Sie und ihr Leben erfüllen.
     
    Am Bahnhof zieht es. Es ist Anfang Februar und es schneit wieder, aber was kümmert das Dora und Luka? Die vier Reiter der Apokalypse könnten über die Bahnsteige an ihnen vorbeirasen, sie würden sie gar nicht bemerken. Wie ist das mit dem Lied über Abschiede? Wenn jemand, den wir lieben, uns verlässt … Schluss jetzt. Alles ist schon gesagt. Dora weint nicht, und Luka atmet. Alles ist wunderbar. Geregelt.
    »Es ist gut, dass du mit dem Zug fährst.«
    »Warum?«
    »Dann verlässt du mich langsamer. Wir haben mehr Zeit.« Dora küsst seinen weichen, kalten Mund.
    »Me falta tiempo para celebrar tus cabellos.« Luka hält Doras Gesicht in seinen Händen und lächelt sie an. Sie haben sich versprochen, tapfer zu sein.
    »Ich frage mich, ob du eigentlich eine Ahnung hast, was du da sagst, oder ob du alles einfach auswendig gelernt hast?« Dora zittert in seinen Händen.
    »Teste mich.«
    »Na gut, also sag es mir.«
    »Mir fehlt die Zeit, deine Haare zu feiern.« Er sieht sie selbstzufrieden an.
    »Nicht schlecht. Aber das war auch nicht schwer. Sag noch etwas«, fordert sie ihn heraus.
    »Das ist nicht dein Ernst! Du willst mich, den ultimativen Neruda-Kenner, herausfordern?! Unerhört. Unverschämt, du dreistes, kleines Ding!«
    »Soll das jetzt schon Neruda sein?« Dora lässt ihre Mundwinkel hängen. »Schwach, mon amour, sehr schwach.«
    » Amo el trozo de tierra que tú eres, porque de las praderas planetarias otra estrella no tengo. Tú repites / la multiplicación del universo.« Er deklamiert, und Leute sehen ihn im Vorbeigehen neugierig an.
    »Nicht schlecht! Das hört sich schon einmal an, als wüsstest du, was du sagst.« Dora ist gerührt. Sie tut so, als wäre nichts, aber sie spürt, wie die Worte ihr nicht mehr ganz gehorchen.
    »Danke. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich tatsächlich weiß, was ich sage: ›Ich liebe das Stück Erde, das du bist, denn in planetaren Feldern habe ich keinen anderen Stern. Du wiederholst die Vermehrung des Universums.‹«
    Dora lächelt. »Nun ja. Du solltest lieber bei deinen Farben bleiben.«
    Dann schweigen sie beide. Menschen eilen an ihnen vorbei. Züge kommen an und fahren ab. Es ist laut und kalt und es riecht nach abgestandener

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