Jeden Tag, Jede Stunde
sie.
»Ich weiß es nicht.« Luka sieht Dora an und lächelt. »Wir haben noch nicht darüber gesprochen.« Und Dora lächelt zurück. Und wenn sie nicht so ehrlich verliebt wären, hätte einem schlecht werden können von so viel Lächeln.
»Frag uns etwas Einfacheres, tata.« Dora bemüht sich, in der Gesellschaft ihres Vaters nicht traurig zu werden. Also versucht sie das Gefühl der Trostlosigkeit zu überspielen, das kann sie doch, das ist ihr métier. Luka weiß es. Für diese Leistung aber würde sie keine Palme d’or bekommen.
»Wie lange bleiben Sie noch in Paris?« Ivan sieht die beiden an, als wollte er sagen: Na, ist das leichter so.
Dora lacht, steht auf und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Luka schüttelt den Kopf, und sein Blick haftet auf dem weißen Teppich, der viele Spuren preisgibt.
»Und was sagen Sie zu der Giftgaskatastrophe in Indien? Viertausendfünfhundert Tote, das muss man sich erst einmal vorstellen können!«
Und Luka liebt Dora.
Mit seinem ganzen Leben. Diese Liebe kann Luka mit nichts vergleichen. Mit nichts, was er kennt. Er denkt an den kleinen Jungen und seine beste Freundin, damals, als er noch nicht gewusst hat, dass Menschen verschwinden können, einfach so. Auch wenn sie es mit Voranmeldung machen. Das ändert nichts. Sie sind weg. Es gibt sie nicht mehr. Hat er damals gedacht, dass er sie je wiedersehen würde? Er weiß es nicht. Aber jetzt ist sie da, und er ist auch da, und alles ist in Ordnung. Denn Dora liebt ihn. Und er liebt Dora. Bevor ich dich liebte, Geliebte, gehörte mir nichts: / Unentschlossen zog ich durch Straßen und durch den Tag: / Nichts zählte und nichts besaß einen Namen:/Die Welt war aus Luft, wie ich vermutet . Doras lächelnde Tränen sind sein Brot und sein Wasser. Und er würde sich nicht wundern, wenn er selbst anfängt zu dichten. Obwohl wozu? Keiner kann es besser als Neruda. Es ist schon alles gesagt. Man soll nie versuchen, etwas verbessern zu wollen, was schon vollkommen ist.
Und Luka ist glücklich. So glücklich, wie man sein muss, wenn man glücklich ist. Luka denkt nicht an Makarska. Fast alles, was er will und braucht, ist hier neben ihm. Nur das Meer ist abwesend.
Ein paar Wochen nach der Ausstellung ruft Luka aber doch seinen Vater an.
»Tata, ich bin es.« Und dann das Schweigen der Verlegenheit.
»Luka, sine, wie geht es? Alles klar?« Zorans ruhige Stimme.
»Fabelhaft, mach dir keine Gedanken.«
»Gut.«
»Und wie geht es dir?«
»Sehr gut.«
»Was macht das Hotel?«
»Nicht viel los. Zu Silvester kommen aber fast hundert Leute, alle wollen hier feiern.«
»Das ist doch gut.«
»Ja.«
»Für das Geschäft.«
»Sicher.«
»Warst du fischen?«
»Ja, letztes Wochenende.«
»Und?«
»Schlecht. Schlecht.«
»So ist es halt manchmal.«
»Ja, ich weiß.«
»Also dann.«
»Bis dann, sine.«
Nur noch ein weiteres Mal telefoniert Luka mit Makarska. Mit Ana. Eine ganz andere Geschichte.
»Ich bin’s.«
»Luka, wo bist du? Was machst du? Wann kommst du wieder?« Die Aufregung verschlägt Ana nicht die Sprache. Nein, ihr doch nicht.
»Ich weiß es nicht.«
»Was ist passiert? Wo steckst du?«
»Ich bin immer noch in Paris.«
»Was machst du da? Du wolltest schon spätestens vor zwei Wochen zurückkommen!« Fast ein Vorwurf.
»Ich weiß.«
»Was heißt das, du weißt!? Komm einfach nach Hause!«
»Wir werden sehen.«
»Was heißt denn das jetzt!?«
»Ich melde mich wieder.«
»Du sollst dich bei Klara melden. Sie sagt nichts, aber sie ist verrückt vor Sorge. Du kannst doch nicht einfach so verschwinden …«
»Ich melde mich wieder.«
»Luka, was ist los? Was ist passiert?«
»Ich kann dir jetzt nichts sagen, so am Telefon …«
»Dann komm nach Hause! Das geht doch nicht!«
»Es ist alles in Ordnung, Ana. Wirklich.«
»Das hört sich aber gar nicht so an.«
»Ich melde mich wieder.«
»Vergiss nicht, Klara anzurufen!«
»Bis dann, Ana.«
Er ruft Klara nicht an. Natürlich nicht. Es gibt keine Klara. Klara ist ein anderes Leben, nicht seins. Sein Leben ist Dora. Aber kein Wort über Dora. Er will sie so lange wie möglich nur für sich behalten.
Und während all dieser Zeit liebt er sie. Leidenschaftlich. Bedingungslos. Ganzheitlich.
13
Dieser Mann aus der Galerie hat gleich am Morgen danach angerufen. Mehrmals. Dora erkennt ihn an der Dringlichkeit des Klingeltons. In Eile. Ungeduldig und unbändig. Nur Zahlen im Kopf. Aber nein, das ist nicht gerecht, das stimmt nicht. Und dennoch
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