Jeden Tag, Jede Stunde
nach hinten und beobachtet den Himmel. »Nein, mein Freund, es kann alles so bleiben, wie es ist.«
»Damit wirst du aber nicht durchkommen, das weißt du.«
»Ja, ich weiß, aber solange ich kann, mache ich mir etwas vor. Ist doch erlaubt, oder?«
»Ja, mein Lieber, träum, soviel du willst, solange du kannst. Obwohl ich gehört habe, dass Brautkleider schon besichtigt worden sind.«
»Ach, Mann!« Vinko stöhnt übertrieben unglücklich und Luka lächelt.
»Oder du meldest dich freiwillig, um die Baumstämme in Lika von der Straße zu entfernen.«
»Diese verrückten Serben! Was denken die sich eigentlich dabei?!«
»Provokationen, mein Freund, nichts als Provokationen! Man soll sie ignorieren.«
»Leichter gesagt als getan, wenn plötzlich ein Baumstamm vor dir auf der Straße liegt und du nicht weiterkommst. Mato hat gemeint, es ist echt nicht zum Lachen, er ist letzte Woche aus Zagreb gekommen. Da gibt es echt nichts zu lachen …«
Eine Weile schweigen sie.
»Meinst du, es könnte Krieg geben?« Luka sieht seinen Freund an.
»Ich weiß es nicht, mit diesen Verrückten ist alles möglich, ich weiß es nicht, aber es sieht nicht gut aus.«
»Oh, Mann! Hoffentlich lernen die, miteinander zu reden, bevor diese Baumstammrevolution eskaliert.«
»Das muss dann aber ein Extraschnellkurs sein! Ich habe das Gefühl, die Zeit läuft uns davon.«
»Klar, sieh dir uns zwei an! Ahnungslos wie diese Fische hier in der Kühlbox!«
Vinko lacht, zündet sich eine neue Zigarette an und nimmt einen ausgiebigen Schluck Bier zu sich. Es ist eine gute Zeit, die Zeit der Zweisamkeit unter Männern, die Luka so genießt. Ihm geht es gut. Bis er dann auch den Kopf nach hinten lehnt und die Wolken am nächtlichen Himmel sieht. Und ihm wird schwindlig. Er kann aber nicht anders, er muss sie anstarren, als würde sein Leben davon abhängen. Ohne es zu merken, gibt er einen Laut von sich.
»Was ist, Luka?«
Vinko kennt seinen Freund. Und er kennt die Geschichte, die nicht erwähnt werden darf, und er sieht den Schmerz in den Augen seines Freundes, der manchmal den Platz mit der absoluten Leere tauscht oder mit der Wut, der Hoffnungslosigkeit. Er weiß aber auch, dass er nichts sagen darf. So tun muss, als wäre nichts, als sähe er nichts. Was er aber auf jeden Fall tun kann, ist, einfach da zu sein, Luka nicht allein zu lassen, immer ein Auge auf ihn zu haben. Ihn abzulenken.
»Wie gefällt es Katja im Kindergarten?«
Schlagartig ist Luka wieder da. Weg von den Wolken, die sich jeglicher Form entziehen. Luka begegnet Vinkos Blick. Er muss sich sehr anstrengen, um bei seinem Freund zu bleiben.
»Gut«, kommt seine langsame Antwort. »Sie mag es, mit anderen Kindern zusammen zu sein. Sie weint, wenn man sie abholt. Das hat es noch nie gegeben, meint die Erzieherin.«
»Und was macht Klara?«
»Ist wieder einmal dabei, eine Tanzschule aufzumachen, glaube ich. Diesmal soll es angeblich auch tatsächlich klappen. Noch ein paar Papiere und Genehmigungen und Unterschriften, und dann ist es so weit.«
»Gut.«
»Genau.«
»Und Dora?«
»Hat heute Geburtstag.«
Als das Geburtstagskind am Morgen nach seinem Geburtstag aufwacht, hat es leichte Kopfschmerzen und einen abgestandenen Geschmack im Mund. Dora greift nach der Wasserflasche neben dem Bett, findet aber keine. Sie macht die Augen auf und merkt sofort, dass sie nicht in ihrem Schlafzimmer, nicht in ihrem Bett liegt. Vorsichtig dreht sie den Kopf zur anderen Betthälfte. Verdammt! Wo sie doch immer gesagt, sich sogar geschworen hat, nie etwas mit Bühnenpartnern anzufangen. Nie. Abwarten soll man, bis alles vorbei ist, die Produktion, die Proben, die Aufführungen, um dann mit einem Orest oder einem Antonius eine oder zwei mehr oder weniger unvergessliche Nächte zu verbringen. Und jetzt das! Verdammt noch mal! Die Rolle ist ihr zu wichtig, um sie auf diese Art und Weise zu gefährden. Obwohl ihr Philippe ganz gut gefällt. Es hat gefunkt zwischen ihnen, schon bei der ersten Begegnung. Und der Sex war gar nicht schlecht, nein, das muss sie ihm lassen! Es war nicht ganz ohne, soweit sie sich erinnern kann, denn ein wenig beschwipst war sie schon. Aber dennoch. Wenigstens an eigene Regeln sollte man sich halten! Gesetze sind da, um gebrochen zu werden, aber doch nicht eigene Regeln! Wohin soll das führen!?
Dora schleicht sich vorsichtig und ganz sanft aus dem Bett, hofft, dass es nicht quietscht oder irgendwelche anderen Geräusche von sich gibt. Glück gehabt!
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