Jeder kann mal Robin sein
überlegen, wie wir an das Geld kommen, das er den armen Pächtern abgepreßt hat. Denk schon mal ein bißchen darüber nach.«
»Mach ich.« Tine wandte sich zum Gehen. Nach ein paar Schritten stockte sie und drehte sich hastig um. »Warte mal, Judy!«
»Ja?« Judy hatte schon die Haustür geöffnet.
Tine lief auf Judy zu und packte sie am Arm. »Nun ist das Auto wieder weg, das heute morgen dastand.«
»Was für’n Auto?«
»Das rote. Und in der Lücke parkt jetzt der Laster.«
»Kann dir doch egal sein.«
»Eben nicht! Ich hab dir doch von Lilly erzählt und von den Autos, die immer abwechselnd vor unserem Haus parken, und daß aus jedem ’n anderer Mann steigt, der bei den Dresslers klingelt. Ich glaube, Lilly ist weg. Wir müssen rauskriegen, wo sie ist und wem die Autos gehören. Frau Beck hat zu Oma gesagt, sie glaubt, daß Lillys Mutter sie anlügt. Wir sollen aufpassen. Und wenn sich irgendwas tut, soll ich ihr Bescheid sagen.«
Judy kniff die Augen zusammen. »Mensch, Tine, wenn nun der Mann im roten Wagen Lillys Vater ist? Und sie einfach mitgenommen hat?«
Tine zuckte die Schultern. »Und wenn nun der Mann im Lastwagen ihr Vater ist?«
Judy streckte das Kinn vor. »Tine, das ist was für uns Robinianer. Wir werden es rauskriegen. Also, der Plan wird geändert: Gisbornes Steuereintreiber kommt ein andermal dran. Jetzt geht es um die geraubte Ellen des Grafen.«
»Was für ’ne Ellen?«
»Ellen ist natürlich Lilly. Gisborne hat Ellen, die Tochter des Grafen Stenford, geraubt.«
Tine verstand immer noch nicht. »Aber es gibt doch gar keine Ellen in dem Buch«, wandte sie ein. »Nur Alice, und die wird von Robin Hoods Leuten nach Greenwood entführt.«
»Hast du heute eine lange Leitung«, rief Judy ungeduldig. »Es ist ein Spiel, oder? Und Lilly ist dabei eben Ellen. Wir müssen augenblicklich unsere Späher aussenden.«
»Ach so.« Tine lachte. »Aber wen? Max kann nicht. Er ist zum Geburtstag eingeladen. Und ich kann auch nicht. Muß büffeln. Wir schreiben morgen eine Englischarbeit.«
Judy reckte sich. »Wenn Not am Mann ist, geht Robin Hood selber los.«
»Prima, Judy. Und ruf mich gleich an, wenn dir was auffällt, ja?«
»Bei Eulenschrei und Unkenglüh, darauf kannst du dich verlassen!«
Zunächst passierte nichts. Judy rief nicht an, und als Tine am nächsten Morgen zur Schule ging, parkte weder der Laster noch das rote Auto vor dem Haus.
»Weg, Oma«, berichtete sie, als sie am Mittag nach Hause kam. »Nun ist der Laster auch weg.«
Kopfschüttelnd zog Oma die Gardine im Wohnzimmer zurück. »Weißt du, Tine, ich glaub, die Dresslers spielen mit uns Katz und Maus.« Sie hatte am Vormittag mehrmals nebenan geklingelt. Aber niemand hatte aufgemacht. Da hatte sie sich regelrecht auf die Lauer gelegt und Frau Dressier auf der Treppe abgefangen. Aber auf die Frage nach Lilly hatte sie nicht geantwortet. Oma solle sich gefälligst um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.
Obwohl eifrig von allen Seiten gespäht und gekundschaftet wurde, gab es zwei Tage lang keine Neuigkeiten. Endlich, vom dritten Tag an, brachen die Ereignisse über Greenwood herein.
Zunächst begann alles noch einigermaßen harmlos. Max saß mal wieder auf seinem Ausguck. Der Schnee fiel nur noch spärlich, aber die Luft war dunstig. Kein Robinianer ließ sich heute blicken. Auch drüben auf Hof B bewegte sich nichts. Aber Max rieb sich die Augen. Was hatten die denn da gebaut? Lauter große flache Schneehaufen, wie umgekehrte Teller mit einem Buckel in der Mitte, breiteten sich drüben auf dem Hof aus.
Max grinste. Sollten das fliegende Untertassen sein? Schade, daß kein Robinianer da war, dem er sie zeigen konnte. Gerade wollte er seinen luftigen Sitz verlassen, als er ein Geräusch vernahm. Er streckte den Kopf vor und sah, daß sich im Gebüsch vor dem Lattenzaun auf Hof A etwas bewegte.
Wie ein Maulwurf schob sich etwas durch den hohen Schnee. Da es schon dämmerte, konnte Max nicht genau erkennen, was da unten los war. Er kniff die Augen zusammen: Der Schnee wölbte sich, bis schließlich etwas Rotes die Schneedecke durchstieß. Max riß Mund und Nase auf, gab aber keinen Laut von sich. Vorsichtig hangelte er sich von seinem Sitz herunter und kroch auf dem Podest entlang. Auch die paar Stufen, die auf den Hof führten, überwand er bäuchlings und kroch so auf das rote Etwas zu.
Der Maulwurf hatte sich seinerseits aus dem Schnee herausgewühlt und entpuppte sich als ein
Junge, kaum größer als
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