Jeder Kuss ein Treffer
Ohren zu.
Kurz schwiegen alle im Zimmer. Annie starrte mit offenem Mund auf den Mann unter ihr. Er hatte sie also doch wahrgenommen. Ihr Selbstbewusstsein wuchs ein wenig. Nicht dass er ihr Typ gewesen wäre, bewahre! Nicht dass sie überhaupt einen Typ hatte. Aber Wes sah … doch, er sah ein wenig gefährlich aus, er hatte so etwas Unbezähmbares. Außerdem wollte sie ja mit Männern nichts mehr zu tun haben.
Trotzdem – durch Wes fühlte sie sich irgendwie weiblich, so als müsste sie nach oben gehen und eine Feinstrumpfhose anziehen.
Kein gutes Zeichen.
Es gelang Erdle, Wes‘ Arm anzuheben. Annie schlüpfte darunter hervor, ihre Wange rieb über jeden Knochen und jeden Muskel seines Körpers, obwohl sie sich bemühte, den Kopf zu heben und seinen Schritt nicht zu berühren.
»Wow«, machte Destiny. »Ich hoffe, für ihn war es genauso gut wie für dich.«
Annie warf ihr einen Blick zu und holte tief Luft. »Also«, sagte sie und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. »Es ist wahrscheinlich einfacher, wenn wir ihn ins Badezimmer schleppen. Theenie, halt du seinen Kopf hoch, damit er nicht wieder auf den Boden fällt. Erdle, du nimmst den anderen Arm. Ihr zwei umfasst seine Beine und versucht, ihn in Richtung Badezimmer zu schieben, während Erdle und ich ziehen.« Annie wartete, bis jeder seinen Platz eingenommen hatte. »Gut, also los!«
Zu sechst machten sie sich an die Arbeit und zogen Wes durch die Küche und den Flur bis ins Badezimmer. In dem engen Raum blieben sie stehen, um Luft zu holen. Annie schob den Duschvorhang beiseite. »Schön«, sagte sie. »Es ist, glaube ich, das Beste, wenn wir ihn mit den Beinen zuerst reintun.«
»Soll er seine Sachen anbehalten?«, fragte Theenie.
Sie sahen sich an. »Vielleicht ziehen wir ihn besser bis auf die Unterwäsche aus«, schlug Annie vor.
»Und wenn er keine Unterwäsche trägt?«, warf Theenie ein. »Er sieht nicht unbedingt danach aus.«
»Ich gucke nach«, erbot sich Doc. Die Frauen drehten sich um. »Doch, er trägt welche.«
»Gut«, sagte Annie zu Erdle und versuchte, sachlich und nüchtern zu sprechen, obwohl ihr Puls verrücktspielte. »Ziehen wir ihn aus.« Die anderen verließen das Bad, Destiny allerdings nur widerwillig. Erdle und Annie entledigten Wes seiner Kleidung. Nur seine mit roten Herzchen verzierte Boxershorts ließen sie ihm an.
»Guck sich das einer an!«, sagte Erdle.
»Hm?« Annie versuchte, nicht auf den sehnigen, muskulösen Körper zu starren, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Sie wusste, dass Erdle von Wes‘ Boxershorts sprach. »Die hat er sich bestimmt nicht selbst gekauft. Ist bestimmt von seiner Frau oder Freundin.«
»Wahnsinn«, sagte Destiny, die um die Ecke spähte. »Der Anblick allein lohnt sich schon. Coole Unterhose, was?«
Mit Gewalt musste Annie sich von dem Bild losreißen. »Gut, kommt alle wieder rein. Wir hieven ihn in die Badewanne.«
Leichter gesagt als getan, doch schließlich hatten sie Wes in der Wanne. Theenie stopfte ihm ein aufgerolltes Handtuch unter den Kopf, um ihn vor weiterem Schaden zu bewahren. Annie zog den Duschvorhang zu und stellte das kalte Wasser an. Dann griff sie zum Duschkopf und richtete ihn so aus, dass das Wasser Wes ins Gesicht strömte. Der Mann regte sich nicht. Nach einigen Minuten stellte Annie das Wasser ab und schaute Doc an. »Er reagiert nicht.«
»Lassen wir ihm Zeit. Irgendwann kommt er wieder zu sich. Hoffentlich bin ich dann nicht hier.« Annie konnte ihre Verärgerung nicht verhehlen. »Und was sollen wir bitte schön so lange mit ihm machen?«
»Am besten trocknet ihr ihn ab und legt ihm eine Decke über«, erklärte Doc.
Annie stand der Mund offen. »Er soll also in der Badewanne liegen bleiben?«
»Ich glaube nicht, dass wir ihn herausbekommen.«
Verzweifelt schüttelte Annie den Kopf und ging zum Wäscheschrank.
»Schlimmer kann es heute nicht mehr werden.«
»Es sei denn, er stirbt«, bemerkte Theenie gereizt. »Ich weiß nicht, was wir dann machen. Wahrscheinlich wandern wir alle ins Gefängnis. Aber immer noch deutlich besser, als obdachlos zu sein, wenn man es recht bedenkt«, fügte sie hinzu und runzelte die Stirn. »Es sei denn, na ja, man weiß ja, was in Gefängnissen so vor sich geht. Am Ende landen wir in einer Zelle mit so einer Anführerin, die uns zu ihren Sklavinnen macht.« Sie erschauderte.
Destiny schaute sie an. »Haben Sie schon mal überlegt, sich ein Beruhigungsmittel verschreiben zu lassen?«
Theenie ging
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