Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
Entschluß, nicht weiter mit ihm zusammen zu leben.
    Beim Frühstück sitzen sie einander mit bleichen, übernächtigen Gesichtern gegenüber. Sie sprechen kaum ein Wort miteinander. Sie tun, als ob die Auseinandersetzung nie gewesen wäre.
    Aber er weiß jetzt Bescheid, denkt sie, und wenn er sich heute kein Zimmer sucht, morgen abend muß er mir doch aus dem Haus. Morgen mittag sage ich es ihm noch einmal. Wir müssen uns trennen!
    O ja, Frau Hete Häberle ist eine ebenso mutige wie anständige Frau. Und daß sie ihren Entschluß dann doch nicht durchführt, daß sie den Enno doch nicht von sich stößt, das liegt nicht an ihr, das liegt an Menschen, die sie noch gar nicht kennt. Zum Beispiel an dem Kommissar Escherich und dem Herrn Borkhausen.
    Emil Borkhausen macht sich nützlich
    Während Enno Kluge und Frau Häberle sich zu einer Lebensgemeinschaft vereinten, die so schnell wieder zerbrach, hatte Kommissar Escherich schwere Zeiten hinter sich. Er hatte es verschmäht, seinem Vorgesetzten Prall zu verheimlichen, daß Enno Kluge seinen Beschattern so schnell wieder entronnen und, ohne eine Spur zu hinterlassen, im Meer der Großstadt untergetaucht war.
    Kommissar Escherich hatte ergeben all die Beschimpfungen auf sich herabhageln lassen, die infolge dieses Ge-ständnisses fällig waren: er war ein Idiot, er war ein Nichtskönner, man würde ihn einlochen, diese Schlafmüt-ze, die es in fast einem Jahr nicht mal fertiggebracht hatte, einen blöden Postkartenschreiber zu ermitteln!
    Und hatte er mal eine Spur, so ließ er den Kerl wieder laufen. Trottel, der er war! Eigentlich hatte Kommissar Escherich Beihilfe zum Hochverrat geleistet, und danach würde man auch mit ihm verfahren, wenn er nicht binnen heute und einer Woche diesen Enno Kluge dem Obergruppenführer Prall vorführte.
    Ja, Kommissar Escherich hatte diese Beschimpfungen ergeben angehört. Aber sie hatten eine seltsame Wirkung auf ihn: trotzdem er genau wußte, daß dieser Enno Kluge nicht das geringste mit den Postkarten zu tun hatte, daß er ihm nicht einen Schritt weiter auf dem Wege zur Feststellung des wirklichen Täters helfen konnte, trotzdem konzentrierte sich plötzlich das Interesse des Kommissars fast nur auf die Feststellung des kleinen, bedeutungslosen Enno Kluge. Es war auch wirklich zu ärgerlich, daß diese Wanze, mit der er seinen Vorgesetzten so schön hatte hinhalten wollen, ihm durch die Finger geschlüpft war. In dieser Woche war der Klabautermann besonders fleißig gewesen: drei Karten von ihm landeten auf dem Schreibtisch des Kommissars. Aber zum erstenmal, seit er diese Sache bearbeitete, interessierten Escherich die Karten und der Schreiber überhaupt nicht. Er vergaß sogar, auf seinem Stadtplan von Berlin die Fundstelle mit Fähnchen zu markieren.
    Nein, erst wollte er diesen Enno Kluge wiederhaben, und Kommissar Escherich machte wirklich ungewöhnliche Anstrengungen, den Mann zu kriegen. Er fuhr sogar ins Ruppinsche, zu Eva Kluge, für alle Eventualitäten mit einem Haftbefehl gegen sie und gegen ihn ausgerüstet.
    Aber er sah doch bald, daß diese Frau wirklich nicht das geringste mehr mit dem Manne zu tun hatte und daß sie sehr wenig von seinem Leben im letzten Jahre wußte.
    Was sie wußte, erzählte sie dem Kommissar, nicht besonders bereitwillig und nicht grade widerspenstig, sondern völlig gleichgültig. Dieser Frau war es ersichtlich ganz gleichgültig, was mit dem Mann wurde, was er getan hatte oder nicht getan hatte. Der Kommissar erfuhr von ihr nur die Namen von zwei oder drei Lokalen, in denen Enno Kluge früher verkehrt hatte, er hörte von seiner Wettleidenschaft und erfuhr auch die Adresse einer gewissen Tutti Hebekreuz, von der mal ein Brief in die Wohnung gekommen war. In diesem Brief war Enno Kluge beschuldigt worden, der Hebekreuz Geld und Lebensmittelkarten gestohlen zu haben. Nein, Frau Kluge hatte dem Mann, als sie ihn das letzte Mal sah, weder den Brief ausgehändigt noch zu ihm davon gesprochen. Nur die Adresse hatte sie zufällig behalten, als Briefträgerin hatte sie für Adressen ein besonders gutes Gedächtnis.
    Mit diesem Wissen ausgerüstet, war Kommissar Escherich nach Berlin zurückgekehrt. Getreu seinem Grundsatz, Fragen zu stellen, aber keine zu beantworten, kein Wissen weiterzugeben, hatte er sich gehütet, der Frau Kluge eine Andeutung von dem Verfahren zu machen, das gegen sie in Berlin lief. Viel brachte er also nicht mit nach Hause, aber es war doch ein Anfang gemacht, die Spur einer

Weitere Kostenlose Bücher