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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Abenteuer gut ausgehen sollte. Und was war dem alten Rat so wichtig erschienen, es ihm zuzustecken, daß er darum soviel gewagt hatte?
    Quangel war nur noch einige Schritte vom Platz entfernt, als der eine Wachtmeister ihn plötzlich sah. Er fuhr erschrocken zusammen, warf einen verwirrten Blick auf den leeren Sitz Quangels, als wollte er sich überzeugen, daß der Angeklagte wirklich nicht mehr dort saß, und schrie dann fast in seinem Schreck: «Wat machen Sie denn da?»
    Auch der andere Schupo fuhr herum und starrte Quangel an. In ihrer ersten Verwirrung standen beide wie angewurzelt, dachten gar nicht daran, den Gefangenen zurückzuführen.
    «Ich möchte mal austreten, Herr Wachtmeister!» sagte Quangel.
    Aber während der rasch beruhigte Polizist noch knurrte:
    «Da latschen Sie jefällichst nich alleene los! Da melden Sie sich jefällichst, Sie!» - während der Polizist noch so sprach, dachte Quangel plötzlich, daß er es nicht anders haben wollte als Anna. Sollten die ruhig ihr Urteil ohne die beiden Angeklagten verkünden, es würde ihnen viel von ihrem Spaß nehmen. Er, Quangel, war nicht neugierig darauf, weil er es nämlich schon kannte. Außerdem sehnte er sich danach, zu erfahren, was für eine Wichtigkeit ihm der alte Rat da zugesteckt hatte.
    Die beiden Polizisten waren bei Quangel angelangt und faßten ihn bei den Armen, die doch die Hosen hielten.
    Quangel sah sie kalt an und sagte: «Hitler, verrecke!»
    «Was?» Sie waren verblüfft, trauten ihren Ohren nicht.
    Und Quangel sehr schnell und sehr laut: «Hitler, verrecke! Göring, verrecke! Goebbels, du Aas, verrecke!
    Streicher, verrecke!»
    Eine ihn unter dem Kinn treffende Faust machte das weitere Ableiern dieses Rosenkranzes unmöglich. Die beiden Schupos schleppten den bewußtlosen Quangel aus dem Saal.
    So kam es, daß Präsident Feisler das Urteil doch ohne die beiden Angeklagten verkünden mußte. Umsonst hatte der höchste Richter über die Beleidigung des Anwalts gnädig hinweggesehen. Und Quangel behielt recht: die Urteilsverkündung machte dem Präsidenten ohne die Gesichter der beiden Angeklagten keinen Spaß mehr, nicht mehr den allergeringsten. Er hatte sich so schöne beschimpfende Formulierungen ausgedacht.
    Während Feisler noch sprach, öffnete Quangel in seiner Wartezelle die Augen. Sein Kinn schmerzte, der ganze Kopf schmerzte, mühsam nur konnte er sich an das Geschehene erinnern. Seine Hand tastete sich vorsichtig in die Tasche: Gottlob, das Päckchen war noch da.
    Er hörte den Schritt der Wache auf dem Gang, nun brach das Geräusch ab, und statt dessen wurde ein leiser, schürfender Laut von der Tür her vernehmlich: das Schutzschild wurde vom Spion zurückgeschoben. Quangel hatte die Augen geschlossen, er lag, als sei er noch immer bewußtlos. Nach einer endlos erscheinenden Frist kam wiederum das leise, schürfende Geräusch von der Tür her, und dann endlich von neuem der Schritt der Wache ...
    Der Spion war wieder geschlossen, die nächsten zwei, drei Minuten würde der Posten bestimmt nicht hereinsehen.
    Quangel faßte schnell in die Tasche und brachte das Röllchen zum Vorschein. Er streifte den Faden ab, der es umspannte, entfaltete den Zettel, der um ein Glasröhrchen lag, und las die Maschinenschrift: «Blausäure, tötet schmerzlos in wenigen Sekunden. Im Mund verstecken.
    Für die Frau wird auch gesorgt. Zettel vernichten!»
    Quangel lächelte. Der gute alte Mann! Der herrliche al-te Mann! Er kaute das Zettelchen, bis es ganz naß war, und schluckte es dann herunter.
    Neugierig betrachtete er die Ampulle, sah die wasserkla-re Flüssigkeit an. Rascher, schmerzloser Tod, sagte er sich.
    Oh, wenn ihr das wüßtet! Und für Anna wird auch gesorgt werden. Er denkt an alles. Guter, alter Mann!
    Er schob das Glasröhrchen in den Mund. Er probierte.
    Er fand, daß er es am besten zwischen Zahnfleisch und Backzähnen verbergen konnte, wie einen Stift, einen Priem, den viele Arbeiter in der Tischlerwerkstatt gebraucht hatten. Er tastete die Backe ab. Nein, er konnte von einer Erhöhung nichts spüren. Und wenn sie wirklich etwas merkten, ehe sie ihm das Ding fortnehmen konnten, hatte er zugebissen und es im Munde zermalmt.
    Wieder lächelte Quangel. Jetzt war er wirklich frei, jetzt hatten sie keinerlei Gewalt mehr über ihn!

Das Totenhaus
    Das Totenhaus in Plötzensee beherbergt jetzt Otto Quangel. Die Einzelzelle des Totenhauses ist nun seine letzte Heimat auf dieser Erde.
    Ja, jetzt liegt er auf einer Einzelzelle:

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