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Jedes Kind kann richtig essen

Jedes Kind kann richtig essen

Titel: Jedes Kind kann richtig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gräfe und Unzer , Hartmut Morgenroth
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musste, kennt die Folgen: Manchmal stellen sich noch nach Jahrzehnten Übelkeit oder ein unangenehmes Gefühl ein, wenn wir an solche Situationen denken. Füttern unter Zwang ist eine Verzweiflungstat der Eltern, die niemandem hilft und viel Schaden anrichtet. Falls Sie sich hier angesprochen fühlen: Reden Sie mit Ihrem Kinderarzt oder Ihrer Kinderärztin. Sie brauchen Hilfe und Unterstützung.
→ »Du liebst mich nicht!«
    Füttern mit Druck kann auch viel versteckter vor sich gehen. Als Beispiel schildere ich Ihnen eine Situation, in die Sie sich vielleicht gut hineinversetzen können.
    Schwiegermutters Buttercremetorte
    Stellen Sie sich vor, Sie sind eingeladen, sagen wir bei Ihrer Schwiegermutter.
    Sie hat sich viel Arbeit gemacht und eine mächtige Buttercremetorte auf den Tisch gestellt. Sie hassen Buttercremetorte, aber Sie wollen sie nicht enttäuschen. Sie wissen: Für Ihre Schwiegermutter wäre es eine persönliche Beleidigung, wenn Sie nichts von der Torte essen würden. Ihre Schwiegermutter würde daraus schließen:
    »Sie isst meine mit Liebe zubereitete Torte nicht? Aha, sie mag mich nicht!«
    Sie finden diese Schlussfolgerung zwar völlig unsinnig, aber Sie kennen Ihre Schwiegermutter. Also nicken Sie und kämpfen tapfer ein Stück in sich hinein. Erwartungsvoll schaut sie Ihnen beim Essen zu: »Schmeckt es dir?«
    Und ehe Sie Einspruch erheben können, liegt schon das zweite Stück auf Ihrem Teller. Fühlen Sie sich in so einer Situation unter Druck gesetzt?
    Was würden Sie am liebsten machen?
    Würden Sie sich auf das nächste Essen bei Ihrer Schwiegermutter freuen?
    Liebe geht nicht durch den Magen
    Nicht wenige Eltern legen ein ähnliches Verhalten an den Tag. Etwa die Mutter der zweijährigen Olga. Im gemeinsamen Gespräch wurde ihr klar, was regelmäßig beim Essen zwischen ihr und ihrer Tochter abläuft:
     
    Olgas Mutter kocht »extra« für ihr Kind. Sie stellt das Essen hin und schaut ihrer Tochter erwartungsvoll zu. Lehnt Olga das Essen ab, fühlt ihre Mama sich verletzt. Sie schließt daraus: » Ich habe doch mit Liebe für dich gekocht. Du nimmst meine Liebe nicht an. Du magst mich nicht.
    Das ist ja furchtbar!«
     
    Olga spürt beides: die übertriebene Erwartungshaltung der Mutter und die maßlose Enttäuschung, wenn sie nichts oder wenig gegessen hatte.
    Wahrscheinlich können Sie jetzt sehr gut nachempfinden, wie Olga sich fühlt: sehr ähnlich wie Sie in der Situation bei der Schwiegermutter.
    Aber Olga hat es noch ein bisschen schwerer: Wenn sie von sich aus nicht essen will, wird sie von ihrer Mutter gefüttert. So weit würde Ihre Schwiegermutter mit Ihnen wohl nicht gehen. Und Olga bekommt mehrmals täglich den Erwartungsdruck ihrer Mutter zu spüren, während Sie wahrscheinlich nur gelegentlich bei Ihrer Schwiegermutter essen müssen.
    Manchmal ist auch Olga ganz höflich und isst »lieb« alles auf. Dann ist ihre Mama glücklich und lobt sie überschwänglich. Aber meistens ist Olga nicht höflich. Meistens mag sie nicht gern essen. Und das zeigt sie sehr deutlich: Sie matscht mit dem Essen herum, quengelt und schreit, will aus ihrem Hochstuhl aufstehen und herumlaufen. Wenn sie gefüttert wird, dreht sie oft den Kopf weg oder schlägt auf den Löffel. Dann ist ihre Mama verzweifelt.
    Je nach ihrer eigenen Stimmung verliert sie die Nerven und schimpft laut, oder sie gibt nach und lässt Olga beim Essen durch die Wohnung laufen.
    Olgas Mama hat lange Zeit nicht gemerkt, dass sie Druck auf ihre Tochter ausübt. Essen setzt sie gleich mit »Du bist lieb« und mit »Du hast mich lieb«.
    Nicht zu essen bedeutet für sie »Du bist böse« und »Du magst mich nicht«.
    Olga bekommt das zu spüren. Aber es verwirrt sie. Was hat das mit Hungrigsein und Sattsein zu tun? Kein Wunder, dass Olga die Mahlzeiten nicht besonders mag. Kein Wunder, dass sie oft den Spieß umdreht und ihre Mutter »bestraft«, indem sie alles ablehnt.
    Trotzdem hat Olga immer zugenommen. Ihr angeborenes Regelsystem funktioniert immer noch so gut, dass sie genug isst. Aber die Beziehung zu ihrer Mutter wird durch diesen unnötigen Druck belastet, und beide haben fast bei jeder Mahlzeit Stress. Da die Mutter kaum noch an etwas anderes als an die Mahlzeiten denken kann, hat sie fast den ganzen Tag Stress.
    Olgas Mutter muss begreifen, dass die Liebe zu ihrer Tochter nicht durch den Magen geht. Sie muss begreifen, dass sie auch dann eine gute Mutter sein kann, wenn ihre Tochter meistens wenig und ab und zu sogar

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