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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
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eingesunkenen Augen, die selbst von weitem gelbsüchtig wirkten, auf den glänzenden Kleinbus. Eine magere Frau wischte träge das Fenster des Drugstores. Ansonsten sah Rhyme niemanden.
    »Friedlich«, stellte Thom fest.
    »So kann man es auch ausdrücken«, sagte Sachs, der in dieser Einöde offensichtlich ebenso unwohl war wie Rhyme. Die Main Street war eine schmucklose Straße, gesäumt von alten Häusern und zwei kleinen Einkaufszentren. Rhyme bemerkte einen Supermarkt, zwei Drugstores, zwei Bars, einen Imbiss, ein Damenbekleidungsgeschäft, eine Versicherungsagentur und eine Videothek mit Süßwarenladen und Nagelstudio. Das hiesige Autohaus, A-OK Car Dealership hieß es, war zwischen einer Bank und einem Unternehmen für Bootszubehör eingequetscht. Überall wurden Köder feilgeboten. Auf einer Reklametafel wurde für ein McDonald's geworben, das sieben Meilen entfernt an der Route 17 lag, eine andere zeigte das sonnenverblichene Abbild der aus dem Bürgerkrieg stammenden Schiffe Monitor und Merriack.
    »Besuchen Sie das Ironclad-Museum«. Zweiundzwanzig Meilen musste man fahren, wenn man sich die Panzerschiffe ansehen wollte. Während Rhyme all diese Eindrücke aus dem Alltag einer Kleinstadt in sich aufnahm, wurde ihm schmerzlich bewusst, wie verloren er hier als Kriminalist war. In New York konnte er jederzeit und mit Erfolg Spuren auswerten, weil er dort schon seit vielen Jahren lebte - er kannte die Stadt inund auswendig, war ihre Straßen entlanggegangen, hatte sich mit ihrer Geschichte, ihrer Flora und Fauna befasst. Aber hier, in Tanner's Corner und Umgebung, wusste er nicht das Geringste über die Beschaffenheit des Bodens, der Luft, des Wassers, hatte keine Ahnung von den Gewohnheiten der Einwohner, wusste nicht, welche Autos sie fuhren, in welchen Häusern sie wohnten, bei welchen Unternehmen sie beschäftigt waren, welche Begierden sie antrieben. Rhyme musste daran denken, wie er einmal als frisch gebacke-ner Polizist für einen älteren Kripomann beim NYPD gearbeitet hatte.
    »Kann mir jemand sagen«, hatte der Mann von seinen Untergebenen wissen wollen,
    »was die Redewendung >Wie ein Fisch auf dem Trockenem bedeutet?«
    »Das bedeutet so viel wie nicht in seinem Element sein«, hatte Jungpolizist Rhyme gesagt.
    »Verwirrt sein.«
    »Also, was passiert denn, wenn ein Fisch auf dem Trockenen landet?«, hatte der ergraute alte Cop ihn angefahren.
    »Der ist nicht verwirrt. Der geht drauf. Eine ungewohnte Umgebung ist das Gefährlichste, was es für einen Ermittler gibt. Merken Sie sich das.« Thom parkte den Kleinbus und senkte die Hebebühne mit dem Rollstuhl ab. Rhyme blies in die Strohhalmsteuerung des Storni Arrow und rollte auf die steile Rampe am Gebäude der Bezirksverwaltung zu, die man zweifellos mehr oder weniger widerwillig angebaut hatte, nachdem das Behindertenschutzgesetz in Kraft getreten war. Drei Männer in Arbeitskleidung und mit Klappmesserscheiden am Gürtel kamen aus der Seitentür der Sheriff-Dienststelle neben der Rampe. Sie gingen auf einen burgunderroten Chevrolet Sub-urban zu. Der Dürrste der drei stupste den Größten an, einen Hünen mit Pferdeschwanz und Bart, und deutete mit dem Kopf auf Rhyme. Dann musterten sie alle drei - fast wie auf Kommando - Sachs' Figur. Der Große betrachtete Thom, dessen gepflegte Frisur, die schmächtige Statur, die makellose Kleidung und den goldenen Ohrring. Ohne eine Miene zu verziehen, flüsterte er dem Dritten im Bunde, der aussah wie ein gut situierter Geschäftsmann aus dem Süden der USA, etwas zu. Der zuckte die Achseln. Dann verloren sie das Interesse an den Besuchern und stiegen in den Chevy. Wie ein Fisch auf dem Trockenen... Bell, der neben Rhymes Rollstuhl herlief, bemerkte dessen Blick.
    »Das ist Rich Culbeau, der Große. Und seine Kumpel. Sean O'Sarian - der dürre Kerl - und Harris Tomel. Culbeau is nicht halb so schlimm, wie er aussieht. Er markiert gern den wilden Mann, aber normalerweise macht er keinen Ärger.« O'Sarian wandte sich auf dem Beifahrersitz um - aber Rhyme wusste nicht, ob er zu Thom, Sachs oder ihm blickte. Der Sheriff trabte vor ihnen die Rampe hinauf. Er mühte sich mit der behindertengerechten Treppe ab. Das Schloss war überstrichen worden.
    »Hier gibt's nicht viele Krüppel«, stellte Thom fest. Dann wandte er sich an Rhyme.
    »Wie geht's dir?«
    »Bestens.«
    »Du siehst aber nicht so aus. Du wirkst blass. Sobald wir drin sind, messe ich deinen Blutdruck.« Sie kamen in das Gebäude. Etwa um 1950

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