Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc
getan hat.« Der Student blickte sich um Beistand heischend in dem staubigen Zimmer um, fand aber keinen.
»Ich glaub, ich kann eine Weile bleiben, Sir.«
»Besten Dank«, sagte Rhyme. Er saugte an der Strohhalmsteuerung und kurvte zu dem Tisch herum, auf dem die Geräte standen. Er hielt an und betrachtete sie. Dann blickte er zu Ben.
»Nun denn, wenn Sie noch kurz meinen Katheter wechseln, können wir anfangen.« Der große Mann wirkte zutiefst erschüttert. Flüsterte:
»Ich soll Ihnen...«
»Das war ein Scherz«, sagte Thom. Aber Ben lächelte nicht. Er nickte nur verlegen, schritt anmutig wie ein Bison zu dem Chromatographen und musterte die Schalttafel. Sachs trabte in das provisorische Labor in der Bezirksverwaltung, neben sich Jesse Corn, der mühelos ihr Tempo mithielt. Kurz darauf stieß auch Lucy Kerr zu ihnen, die es gemächlicher angehen ließ. Sie begrüßte ihren Neffen Ben und stellte ihn Sachs und Jesse vor. Sachs hielt ein Bündel Plastikbeutel hoch.
»Das sind die Spuren, die ich in Garretts Zimmer sichergestellt habe«, sagte sie, dann hielt sie weitere Tüten hoch.
»Die hier stammen aus Blackwater Landing - vom eigentlichen Tatort.« Rhyme blickte auf die Beutel, aber er tat dies mit einem gewissen Missmut. Nicht nur, weil das sehr wenige handfeste Spuren waren, sondern auch, weil ihm wieder ein Gedanke zu schaffen machte, der ihm schon früher gekommen war: Er musste die Hinweise auswerten, ohne dass er das umliegende Gebiet näher kannte. Wie ein Fisch auf dem Trockenen... Er hatte eine Idee.
»Ben, wie lange wohnen Sie schon hier?«, fragte der Kriminalist.
»Mein ganzes Leben, Sir.«
»Gut. Wie lautet die allgemeine Bezeichnung für diesen Teil des Staates?« Er räusperte sich.
»Die nördliche Küstenebene, glaub ich.«
»Haben Sie Freunde, die Geologen sind und sich in dieser Gegend auskennen? Kartografen? Naturkundler?«
»Nein. Die sind alle Meeresbiologen.«
»Rhyme«, sagte Sachs,
»als wir in Blackwater Landing waren, habe ich doch diesen Frachtkahn gesehen, erinnerst du dich? Er hat Asphalt oder Dachpappe von einer Fabrik hier in der Nähe transportiert.«
»Henry Davetts Firma«, erklärte Lucy.
»Wäre es möglich, dass dort ein Geologe beschäftigt ist?«, fragte Sachs.
»Keine Ahnung«, sagte Bell.
»Aber Davett, der ist Ingenieur und lebt seit Jahren hier. Vermutlich kennt er das Land ziemlich gut.«
»Rufen Sie ihn an, ja?«
»Mach ich.« Bell verschwand. Kurz darauf kehrte er zurück.
»Ich hab Davett erwischt. Er beschäftigt keinen Geologen, aber er hat gesagt, er kann uns womöglich weiterhelfen. Er kommt in 'ner halben Stunde vorbei.« Dann wandte sich der Sheriff an Rhyme.
»Also, Lincoln, wie wollen Sie die Verfolgungsjagd aufziehen?«, fragte er.
»Ich bleibe hier, mit Ihnen und Ben. Wir nehmen uns die Spuren vor. Ich möchte, dass sich ein kleiner Suchtrupp rüber nach Blackwater Landing begibt - dorthin, wo Jesse Garrett und die beiden Mädchen verschwinden sah. Ich lotse den Trupp so gut ich kann, je nachdem, was die Spuren ergeben.«
»Wer soll dem Trupp angehören?«
»Sachs hat die Leitung«, sagte Rhyme.
»Lucy ist ebenfalls dabei.« Bell nickte, und Rhyme stellte fest, dass Lucy angesichts dieser Rangordnung keinerlei Regung zeigte.
»Ich melde mich freiwillig«, sagte Jesse Corn rasch. Bell schaute zu Rhyme auf, worauf dieser nickte.
»Vielleicht noch einen Vierten«, sagte er dann.
»Vier Leute? Ist das alles?«, fragte Bell stirnrunzelnd.
»Verdammt, ich könnte Dutzende von Freiwilligen aufbieten.«
»Nein, in diesem Fall gilt: je weniger, desto besser.«
»Wer ist der Vierte?«, fragte Lucy.
»Mason Germain?« Rhyme blickte zur Tür, sah aber niemanden draußen stehen. Er senkte die Stimme.
»Was ist mit Mason los? Er hat doch irgendeine Vorgeschichte. Ich mag keine Polizisten mit einer Vorgeschichte. Ich mag unbeschriebene Blätter.« Bell zuckte die Achseln.
»Der Mann hatte ein schweres Leben. Er ist nördlich vom Paquo aufgewachsen - auf der falschen Seite. Der Vater hat ein, zwei Mal versucht, was aufzuziehen, hat dann mit der Schwarzbrennerei angefangen, und als ihn die Steuerfahndung festnahm, hat er sich umgebracht. Mason hat sich von ganz unten emporgearbeitet. Hier in der Gegend gibt's ein Sprichwort - zu arm für Farbe, zu stolz für Weißes. Genau das trifft auf Mason zu. Er beschwert sich ständig, dass er zurückgesetzt wird, nicht das kriegt, was er will. Er ist ein ehrgeiziger Mann, und das in einer
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