Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc
ging Mason mit Nathan aus dem Büro und steuerte seinen Streifenwagen an. Sie stiegen ein. Mason spürte die sengende Hitze, ließ den Motor an und stellte die Klimaanlage auf volle Leistung. Nachdem sie angeschnallt waren, wie es gemäß dem Spruch, der seitlich auf dem Streifenwagen prangte, von allen verantwor-tungsbewussten Bürgern verlangt wurde, sagte Mason:
»Und nun hör zu. Ich -«
»Ach, komm schon, Mason, stell dich nicht so an. Ich hab dir bloß sagen wollen, was vernünftiger wäre. Ich meine, letztes Jahr haben Frank und Culbeau -«
»Hält's Maul und hör zu.«
»Okay, ich hör zu. Glaub nicht, dass du so reden musst... Okay. Ich hör zu. Was hat Culbeau diesmal angestellt?« Doch Mason antwortete ihm nicht.
»Wo ist dein Ruger?«, fragte er.
»Mein Jagdgewehr? Das M77?«
»Ganz recht.«
»In meinem Laster. Daheim.«
»Hast du das Hitech-Zielfernrohr aufmontiert?«
»Selbstverständlich.«
»Dann gehen wir's holen.« Sie fuhren vom Parkplatz, und sobald sie auf der Main Street waren, schaltete Mason das rot-blaue Blinklicht auf dem Dach des Wagens ein, nicht aber die Sirene. Er raste aus der Stadt. Nathan stopfte sich einen Pfriem Red Indian in die Backe, was er nicht durfte, wenn Jim in der Nähe war, aber Mason störte sich nicht daran.
»Das Ruger... Aha. Deshalb hast du mich dabeihaben wollen. Nicht Frank.«
»Ganz recht.« Nathan Groomer war der beste Gewehrschütze in der Dienststelle, einer der besten im ganzen Paquenoke County. Mason hatte gesehen, wie er aus achthundert Metern Entfernung einen Zehn-ender erlegt hatte.
»Und wenn ich das Gewehr geholt habe, fahren wir zu Culbeaus Haus?«
»Nein.«
»Wohin dann?«
»Wir gehen auf die Jagd.«
»Hübsche Häuser hier«, stellte Amelia Sachs fest. Sie und Lucy Kerr fuhren auf der Canal Road in Richtung Norden, zurück nach Blackwater Landing. Jesse Corn und Ned Spoto, ein stämmiger Deputy etwa Ende dreißig, folgten ihnen in einem zweiten Streifenwagen. Lucy warf einen Blick auf die Anwesen oberhalb des Kanals -die schmucken Neubauten im Kolonialstil, die Sachs schon früher bemerkt hatte -, sagte aber nichts. Wieder fiel Sachs auf, wie einsam und verlassen die Häuser und die Gärten wirkten - nirgendwo Kinder. Genau wie auf den Straßen von Tanner's Corner. Kinder, dachte sie wieder. Lassen wir das lieber, sagte sie sich dann. Lucy bog auf die Route 112 ab und steuerte aufs Bankett - wo sie erst vor einer halben Stunde gewesen waren, oben auf der Anhöhe über den Tatorten. Jesse Corns Streifenwagen hielt hinter ihnen. Zu viert gingen sie die Böschung zum Fluss hinab und stiegen in den Kahn. Jesse setzte sich wieder auf die Ruderbank.
»Nördlich des Paquo, Mann«, grummelte er mit einem so unheilvollen Unterton, dass Sachs es zunächst für einen Scherz hielt. Doch dann bemerkte sie, dass weder er noch einer der anderen lächelte. Auf der anderen Seite des Flusses stiegen sie aus, folgten Garretts und Lydias Fußabdrücken zu dem Jagdunterstand, in dem Ed Schaeffer von den Hornissen gestochen worden war, und etwa fünfzehn Meter weiter in den Wald hinein, wo sich die Spur verlor. Auf Sachs' Anweisung hin schwärmten sie aus, rückten in immer größer werdenden Kreisen vor und hielten Ausschau nach ir gendwelchen Hinweisen darauf, in welche Richtung Garrett verschwunden war. Sie fanden nichts und kehrten zu der Stelle zurück, wo die Fußspuren endeten.
»Kennst du den Pfad?«, sagte Lucy zu Jesse.
»Den, auf dem die Drogenbrüder abgehauen sind, nachdem Frank Sturgis sie letztes Jahr aufgespürt hat?« Er nickte.
»Liegt etwa fünfzig Meter weiter nördlich«, sagte er zu Sachs.
»Hier lang.« Er deutete in die Richtung.
»Garrett kennt ihn wahrscheinlich, und außerdem ist es hier weit und breit der beste Weg durch Wald und Sumpf.«
»Sehen wir nach«, sagte Ned. Sachs überlegte, wie sie sich bei der Meinungsverschiedenheit, die sich hier anbahnte, verhalten sollte, und kam zu dem Schluss, dass es nur eine Möglichkeit gab: Sie musste da durch. Mit allzu viel Rücksicht erreichte sie gar nichts, nicht gegen alle drei (und Jesse Corn stand ihrer Ansicht nach nur insofern auf ihrer Seite, als er in sie verknallt war).
»Wir sollten hier bleiben, bis wir etwas von Rhyme hören.« Jesse rang sich ein knappes Lächeln ab, hatte aber sichtlich an dem Interessenkonflikt zu kauen. Lucy schüttelte den Kopf.
»Garrett muss den Pfad genommen haben.«
»Wir wissen es nicht mit Sicherheit«, sagte Sachs.
»Hier in der
Weitere Kostenlose Bücher