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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
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spöttisch?«
    »Hitze führt zu Gewebeschwellungen«, sagte der Betreuer zu Bell.
    »Schwellungen führen zu Reizungen und erhöhtem Blutdruck. Und das kann zu einer Dysregulation führen. Was ihn umbringen kann. Wir brauchen eine Klimaanlage. So einfach ist das.« Thom war der einzige von Rhymes Pflegern, der es mehr als nur ein paar Monate im Dienst des Ermittlers ausgehalten hatte. Die anderen hatten entweder von sich aus gekündigt oder waren vorzeitig gefeuert worden.
    »Schließen Sie ihn an«, befahl Rhyme einem Deputy, der einen zerschrammten Gaschromatographen in die Ecke rollte.
    »Nein.« Thom verschränkte die Arme und baute sich vor dem Verlängerungskabel auf. Der Deputy sah die Miene des Betreuers und hielt betreten inne. Offenbar war er nicht bereit, sich mit dem hartnäckigen jungen Mann anzulegen.
    »Wenn die Klimaanlage hier steht und läuft... dann schließen wir ihn an.«
    »Herr im Himmel.« Rhyme verzog das Gesicht. Eine der schlimmsten Begleiterscheinungen im Leben eines Querschnittsgelähmten ist die Unfähigkeit, Dampf abzulassen. Nach seinem Unfall hatte Rhyme rasch erkannt, dass sich durch eine simple Betätigung wie Auf-und Abgehen oder die Fäuste ballen - vom Werfen schwerer Gegenstände (einem Lieblingszeitvertreib von Rhymes Exgemahlin Blaine) gar nicht zu sprechen - Wut abbauen lässt.
    »Wenn ich mich aufrege, könnte ich Krämpfe oder Muskelverhärtungen bekommen«, versetzte Rhyme gereizt.
    »Aber weder das eine noch das andere bringt dich um - eine Dysregulation hingegen sehr wohl.« Thom sagte dies mit einer aufgesetzten Fröhlichkeit, die Rhyme nur noch mehr erzürnte.
    »Lassen Sie mir fünf Minuten Zeit«, wandte Bell zaghaft ein. Er verschwand, und die Polizisten rollten weitere Apparaturen herein. Der Chromatograph wurde vorerst nicht angeschlossen. Lyncoln Rhyme betrachtete die Geräte. Fragte sich, wie es wohl wäre, wenn er tatsächlich wieder die Finger um einen Gegenstand schließen könnte. Mit dem Ringfinger der linken Hand konnte er tasten und sogar leichten Druck fühlen. Aber etwas anfassen, die Beschaffenheit spüren, das Gewicht, die Temperatur... all das war unvorstellbar. Terry Dobyns, der Therapeut des NYPD, der Mann, der an Rhymes Bett gesessen hatte, als er zu sich gekommen war, nachdem er infolge eines Unfalls an einem Tatort eine Querschnittslähmung erlitten hatte, eine Lähmung aller vier Gliedmaßen, hatte dem Kriminalbeamten die zu erwartenden Stufen eines Leidenswegs erklärt. Er hatte Rhyme versichert, dass er sie alle durchmachen -und überleben - werde. Doch der Arzt hatte ihm nicht gesagt, dass bestimmte Stufen klammheimlich wiederkehren. Dass man sie mit sich herumschleppt wie ein schlafendes Virus und sie jederzeit ausbrechen können. Im Laufe der letzten Jahre hatte er wiederholt Phasen der Verzweiflung und des Trotzes erlebt. Jetzt fraß die Wut an ihm. Ah, hier waren zwei junge Mädchen entführt worden, und ein Mörder ging um. Wie gern würde er zum Tatort rasen, ihn abschreiten, undefinierbare Spuren sammeln, sie durch die gepolsterten Okulare eines Stereomikroskops betrachten, die Tasten der Computer und der anderen Instrumente betätigen, auf-und ablaufen, während er seine Schlüsse zog. Er wollte sich an die Arbeit begeben, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass ihn die verfluchte Hitze umbringen könnte. Wieder dachte er an Dr. Weavers Zauberhände, an die Operation.
    »Du bist so still«, sagte Thom vorsichtig.
    »Was heckst du aus?«
    »Ich hecke gar nichts aus. Würdest du bitte den Gaschromatographen anschließen und einschalten? Es dauert eine Weile, bis er warm läuft.« Thom zögerte, dann ging er zu dem Gerät und setzte es in Betrieb. Die übrigen Apparaturen baute er auf einem Glasfibertisch auf. Steve Farr kam in das Büro und schleppte eine riesige CarrierKlimaanlage herein. Der Deputy war offenbar nicht nur groß, sondern auch stark - lediglich seine rot angelaufenen abstehenden Ohren verrieten, dass er sich anstrengen musste.
    »Hab ich beim Planungsamt geklaut. Die mögen wir nicht besonders.« Bell half Farr, das Gerät am Fenster aufzubauen, und kurz darauf blies es kühle Luft ins Zimmer. Eine Gestalt tauchte in der Tür auf - genau genommen füllte sie den Durchgang aus. Ein Mann, etwa Mitte zwanzig. Breite Schultern, gewölbte Stirn. Gut einen Meter fünfundneunzig groß, nahezu drei Zentner schwer. Einen bangen Moment lang dachte Rhyme, es handle sich um einen Verwandten von Garrett, der ihnen drohen wollte.

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