Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
Vom Netzwerk:
niemand in der Nähe war, verschwand er im Unterholz und kehrte kurz darauf mit einer Nylonschnur zurück - sie sah aus wie eine dünne Angelschnur -, die er quer über den Pfad spannte, knapp über dem Boden. Sie war so gut wie nicht zu sehen. Er band sie an einem Stock fest, der wiederum eine fünfzehn bis zwanzig Liter fassende Bal-lonflasche abstützte, in der sich eine milchige Flüssigkeit befand. Ein paar Tropfen waren ausgelaufen, und der Geruch stieg ihr sofort in die Nase - Ammoniak. Sie war entsetzt. Ist das etwa eine Bombe?, fragte sie sich. Als Krankenschwester auf der Notaufnahme hatte sie etliche Teenager behandelt, die sich beim Bau von selbst gebastelten Sprengkörpern verletzt hatten. Sie konnte sich noch genau an die schwarz verfärbte Haut erinnern, die durch den Explosionsdruck aufgeplatzt war.
    »Das kannst du nicht machen«, flüsterte sie.
    »Behalt deinen Mist für dich.« Er schnipste mit den Fingernägeln.
    »Ich mach hier noch fertig, dann sind wir gleich daheim.« Daheim? Benommen starrte Lydia auf die große Flasche, während er sie mit Zweigen tarnte. Einmal mehr zog Garrett sie weiter den Pfad entlang. Trotz der Hitze ging er jetzt schneller, sodass sie nur mühsam mithalten konnte. Garrett kam ihr immer schmutziger vor, mit Staub bedeckt und voller Laub. Es war, als ob er sich mit jedem Schritt, den sie sich von der Zivilisation entfernten, immer mehr in ein Insekt verwandelte. Sie müsste an eine Geschichte denken, die sie in der Schule mal lesen sollte, aber nie bis zu Ende geschafft hatte.
    »Da droben.« Garrett deutete mit dem Kopf auf einen Hügel.
    »Dort kommen wir unter. Morgen früh geht's dann zum Meer.« Ihre Tracht war mit Schweiß durchtränkt. Die beiden obersten Knöpfe der weißen Bluse standen offen, sodass der weiße BH zu sehen war. Der Junge glotzte ständig auf ihre prall gerundeten Brüste. Aber es störte sie kaum - sie wollte bloß noch irgendwo unterkommen, wo es kühl und schattig war, irgendwo drinnen, egal, wohin er sie brachte. Eine Viertelstunde später stießen sie auf eine Lichtung. Vor ihnen stand eine alte Wassermühle, umgeben von Schilf, Rohrkolben und hohem Gras. Sie lag an einem Bachlauf, der weitestge-hend dem Sumpf anheim gefallen war. Ein Teil der Mühle war abgebrannt. Inmitten der Ruinen ragte ein rußiger Kamin auf - ein so genanntes
    »Sherman-Monument«, wie so etwas hier zu Lande hieß, in Anlehnung an den Unionsgeneral William Tecumseh Sherman, der im Bürgerkrieg auf seinem berüchtigten Marsch zum Meer sämtliche Häuser und Höfe hatte niederbrennen lassen, sodass hinter ihm nur mehr ein Wald aus schwarzen Schornsteinen aufragte. Garrett führte sie zum vorderen Teil der Mühle, dem Bereich, der von dem Brand nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war. Er stieß sie durch den Eingang, schlug die schwere Eichentür zu und legte den Riegel vor. Er stand eine Zeit lang da und lauschte. Nachdem er offensichtlich davon überzeugt war, dass ihnen niemand folgte, reichte er ihr eine Wasserflasche. Sie musste sich zusammennehmen, damit sie sie nicht in einem Zug austrank. Sie nahm einen Mund voll, kostete ihn aus, ließ ihn auf ihrem ausgedörrten Gaumen prickeln, schluckte ihn dann langsam. Als sie ihren Durst gestillt hatte, nahm er ihr die Flasche weg, befreite ihre Hände und fesselte sie wieder mit Klebeband, diesmal auf dem Rücken.
    »Muss das sein?«, fragte sie wütend. Er verdrehte die Augen, als hätte sie ihm eine blöde Frage gestellt. Dann drückte er sie zu Boden.
    »Hock dich hin, und halt endlich den Mund.« Garrett setzte sich an die Wand gegenüber. Lydia reckte den Kopf in Richtung Fenster und lauschte. Horchte, ob sie irgendwo Hubschrauber hörte, Sumpfboote oder die bellenden Hunde eines Suchtrupps. Doch sie vernahm nur Garretts Atemzüge, und in ihrer Verzweiflung kam es ihr so vor, als hätte Gott selbst sie im Stich gelassen.

... Zehn
    Eine Gestalt tauchte in der Tür auf, begleitet von Jim Bell. Der Mann war etwa Mitte fünfzig, hatte schütteres Haar und ein rundliches, aber markantes Gesicht. Er hatte einen blauen Blazer über dem Arm hängen und trug ein weißes Hemd, das tadellos gebügelt und ordentlich gestärkt war, doch unter den Armen zeichneten sich dunkle Schweißflecken ab. Die gestreifte Krawatte wurde von einer Klammer gehalten. Rhyme hatte zunächst gemeint, es handle sich um Henry Davett, doch sein Sehvermögen zählte zu den wenigen Fähigkeiten, die den Unfall unbeschadet überstanden hatten - um

Weitere Kostenlose Bücher