Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc
sein Augenlicht war es bestens bestellt -, sodass er aus drei Metern Entfernung die Gravur auf der Krawattenklammer des Mannes lesen konnte: WSJD. William? Walter? Wayne? Rhyme hatte keine Ahnung, wer das sein könnte. Der Mann schaute ihn an, kniff kurz die Augen zusammen, als wollte er ihn abschätzen, und nickte dann.
»Henry«, sagte Jim Bell,
»darf ich vorstellen: Lincoln Rhyme.« Kein Monogramm also. Es war doch Davett. Rhyme nickte dem Mann zu und dachte sich, dass die Krawattenklammer vermutlich von seinem Vater stammte. William Seth Jonathan Davett. Davett trat in das Zimmer. Warf einen raschen Blick auf die Geräte.
»Ah, Sie kennen sich mit Chromatographie aus?«, fragte Rhyme, als er den kurzen Kennerblick bemerkte.
»In meiner Forschungs-und Entwicklungsabteilung stehen zwei davon. Aber der hier...« Er schüttelte den Kopf.
»So was wird gar nicht mehr hergestellt. Warum benutzen Sie den?«
»Die staatlichen Mittel, Henry«, sagte Bell.
»Ich schick euch einen vorbei.«
»Nicht nötig.«
»Das Ding ist Schrott«, sagte der Mann schroff.
»Ich stell euch in zwanzig Minuten einen neuen hin.«
»Das Untersuchen der Spuren ist nicht weiter schwierig«, sagte Rhyme.
»Das Auswerten hingegen schon. Deshalb benötige ich Ihre Hilfe. Das ist Ben Kerr, mein Assistent.« Sie schüttelten sich die Hand. Ben wirkte sichtlich erleichtert darüber, dass noch ein kerngesunder Mensch zu ihnen gestoßen war.
»Setzen Sie sich, Henry«, sagte Bell und rollte einen Bürostuhl zu ihm hin. Der Mann nahm Platz, beugte sich etwas nach vorn und strich sorgfältig seinen Schlips glatt. Rhyme nahm die Handbewegung wahr, die Haltung, die kleinen Augen, den selbstbe-wussten Blick, und dachte: umgänglich, klug... und ein knallharter Geschäftsmann. Wieder fragte er sich, was das WSJD zu bedeuten hatte. Er war sich nicht sicher, ob er das Rätsel gelöst hatte.
»Hier geht's um die Frauen, die entführt worden sind, richtig?« Bell nickte.
»Niemand traut es sich offen auszusprechen, aber insgeheim« - er blickte zu Rhyme und Ben -
»gehen wir davon aus, dass Garrett Mary Beth womöglich schon vergewaltigt und umgebracht und ihre Leiche irgendwo verscharrt hat.« Vierundzwanzig Stunden...
»Aber wir hoffen, dass wir wenigstens Lydia noch retten können«, fuhr der Sheriff fort.
»Außerdem müssen wir verhindern, dass sich Garrett noch jemand anderen schnappt.«
»Und was ist mit Billy?«, versetzte der Industrielle aufgebracht.
»Das ist so ein Jammer. Ich habe gehört, dass er Mary Beth retten wollte, wie es sich für einen guten Samariter gehört, und dabei selber umgekommen ist.«
»Garrett hat ihm mit einer Schaufel den Schädel eingeschlagen. Kein schöner Anblick.«
»Die Zeit drängt also. Was kann ich tun?« Davett wandte sich an Rhyme.
»Sie haben etwas von Auswerten gesagt.«
»Wir haben ein paar Hinweise darauf, wo Garrett sich aufgehalten haben könnte und wohin er Lydia möglicherweise bringt. Ich habe gehört, dass Sie die Gegend hier ziemlich gut kennen und uns möglicherweise weiterhelfen könnten.« Davett nickte.
»Ich kenne mich in dem Landstrich sehr gut aus. Ich habe Geologie studiert und bin außerdem Chemiker. Und ich bin hier in Tanner's Corner quasi aufgewachsen und weiß daher einigermaßen Bescheid im Paquenoke County.« Rhyme nickte zu den Spurenchecklisten hin.
»Fällt Ihnen dazu irgendetwas ein? Wir versuchen anhand dieser Hinweise festzustellen, wo er sich aufhalten könnte.« Davett setzte seine Brille auf, legte den Kopf zurück und blickte zu der Schiefertafel auf. FUNDE AM EIGENTLICHEN TATORT - BLACKWATER LANDING Kleenex mit Blutspuren Kalksteinstaub Nitrate Phosphat Ammoniak Waschmittel Camphen FUNDE IM SEKUNDÄREN TATORT - GARRETTS ZIMMER Stinktiersekret Abgerissene Kiefernnadeln Zeichnungen von Insekten Bilder von Mary Beth und Familienfoto Bücher über Insekten Angelschnur Geld Unbekannter Schlüssel Kerosin Ammoniak Nitrate Camphen Davett musterte die Liste von oben bis unten, kniff mehrmals die Augen zusammen. Runzelte kurz die Stirn.
»Nitrate und Ammoniak? Sie sind sich doch darüber im Klaren, was das sein könnte?« Rhyme nickte.
»Meiner Meinung nach hat er irgendwo Sprengkörper gelegt, um den Suchtrupp aufzuhalten. Ich habe den Leuten schon Bescheid gesagt.« Davett verzog das Gesicht und wandte sich wieder der Tabelle zu.
»Das Camphen... ich glaube, das hat man in alten Laternen verwendet. So ähnlich wie Petroleum.«
»Ganz recht. Deshalb nehmen
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