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Jeier, Thomas

Jeier, Thomas

Titel: Jeier, Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ersten Amerikaner Die
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eine nach Süden und eine nach Westen. Der Name dieser Wurzeln ist ›Die großen weißen Wurzeln‹, sie stehen für Frieden und Stärke.« Weiter in Artikel 24: »Die Häuptlinge der Konföderation der Fünf Nationen verpflichten sich, ihr Volk würdig zu vertreten. Ihre Haut soll fest genug sein, um Ärger, Angriffe und Kritik abwehren zu können. Ihre Herzen sollen von Frieden und gutem Willen beseelt sein, und ihre Gedanken vom Streben nach dem Wohlergehen der Fünf Nationen.« Artikel 44 bestimmt: »Die Frauen sollen als Urmütter der Nation angesehen werden. Sie sollen das Land und die Felder besitzen.« In den 117. Artikeln ist das Zusammenleben der Fünf Nationen bis ins Detail geregelt, selbst der Wortlaut beim Abnehmen des Geweihs, dem Zeichen der Häuptlingswürde, ist vorgeschrieben.
    Nach dem »Großen Gesetz des Friedens«, von den Irokesen »Ne Gayanegashowa« genannt, fungierten die Mohawk und Seneca in der Ratsversammlung als »ältere Brüder«, die Cayuga und Oneida als »jüngere Brüder« und die Onondaga als »Hüter des Ratsfeuers«. Der Häuptling der Onondaga moderierte die Beratung. Die Repräsentanten konnten jedes noch so kleine Problem auf die Tagesordnung bringen, und die Ratshäuptlinge waren verpflichtet, ihren Ausführungen zuzuhören und darüber zu beraten. Kam trotz mehrtägiger Diskussionen kein Beschluss zustande, blieb es dem Stamm überlassen, nach eigenem Gutdünken zu handeln, sofern die anderen Stämme nicht benachteiligt wurden. Jeder Stamm handelte innerhalb des Bundes souverän, alle Entscheidungen waren darauf ausgerichtet, das Gleichgewicht der Kräfte zu bewahren. Die Harmonie innerhalb des Bundes zu erhalten, war oberstes Gesetz.
    Die Parallelen zur amerikanischen Verfassung sind so auffällig, dass bis heute darüber diskutiert wird, inwieweit »Ne Gayanegashowa« deren Verfasser beeinflusste. Beide Staatsformen bevorzugen ein föderales System, das aus einer zentralen Regierung und souveränen Organen bestand, in den USA die Regierungen der Bundesstaaten, im Irokesenbund die Repräsentanten der Stämme. Das Streben nach Frieden und Harmonie war ein gemeinsamer Leitsatz. Beide Legislativen waren in zwei Kammern aufgeteilt, die amerikanische in Senat und Repräsentantenhaus, die indianische in »ältere Brüder« und »jüngere Brüder«; nur die umfassende Diskussion konnte optimale Ergebnisse liefern. Die Vertreter der amerikanischen Gründerstaaten und die Häuptlinge der Irokesenstämme verstanden sich, als gehorsame Diener ihres Staates, und nicht als uneingeschränkte Herren, die gegen den mehrheitlichen Willen des Volkes regieren konnten. Bei allen Entscheidungen hatte das Allgemeinwohl oberste Priorität, das Amt bedeutete mehr als die Person, die es innehatte. Jaime Hill vom American Indian , einer Zeitschrift der Smithsonian Institution in Washington, D.C., nimmt eine unmittelbare Anleihe der US-Verfassung bei den Irokesen wahr: »Die Verfassung der Irokesen garantierte Religionsfreiheit und das Recht der freien Meinungsäußerung, beides Rechte, die von der amerikanischen Verfassung übernommen wurden.«
    Angezweifelt werden muss die Annahme, das »Impeachment«, die amerikanische Möglichkeit des Veto-Rechts und unverzichtbarer Teil ihrer Verfassung, habe seinen Ursprung im englischen Parlamentsrecht des 14. Jahrhunderts. Auch bei den Irokesen gab es ein solches Verfahren, in einem Artikel ihrer Verfassung hieß es: »Sollte ein Häuptling des Bundes versuchen, Autorität unabhängig von der Rechtsprechung der Liga des Großen Friedens auszuüben, soll er dreimal öffentlich im Rat verwarnt werden, zuerst von den ihm verwandten Frauen, dann von den ihm verwandten Männern und zuletzt von den Häuptlingen der Nation, zu welcher er gehört. Beharrt der schuldige Häuptling auf seiner Verhaltensweise, soll er vom Kriegshäuptling seiner Nation entlassen werden, weil er sich nicht den Gesetzen des Großen Friedens gemäß verhält. Dann soll seine Nation den Anwärter einsetzen, den die weiblichen Titelhalter seines Clans vorschlagen.« Ebenfalls aufgerufen, einen neuen Repräsentanten zu ernennen, waren die Frauen, wenn ein Häuptling schwer erkrankte und nicht mehr fähig war, sein Amt auszuüben. In Artikel 21 der Irokesenverfassung wurden Blindheit, Taubheit und Impotenz als mögliche Gründe genannt. Nach der Verfassung der USA sind eine einfache Mehrheit des Repräsentantenhauses und eine Zweidrittelmehrheit des Senats für eine Absetzung des

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