Jeier, Thomas
und sich die Krieger unter die Menge mischten, hinderten sie die Versammelten durch ihre bloße Anwesenheit daran, über den Friedensplan zu sprechen. Noch in derselben Nacht soll Hayenwathas älteste Tochter an einer geheimnisvollen Krankheit gestorben sein. Hatte der gefürchtete Schamane die bösen Geister auf das kranke Mädchen gehetzt?
Hayenwatha ließ sich nicht entmutigen. Er berief eine zweite Versammlung ein, die jedoch den gleichen Verlauf wie die erste nahm. In der folgenden Nacht starb auch seine zweite Tochter an einer rätselhaften Krankheit. Auch diesmal versagten alle Bemühungen, das Mädchen vor dem Tod zu retten. Inzwischen waren alle Onondaga überzeugt, dass Tadodaho mit den bösen Kräften im Bunde war und die Macht über Leben und Tod besaß.
Doch Hayenwatha gab nicht auf und berief ein drittes Treffen ein. Diesmal war seine dritte und jüngste Tochter, eine ausgesprochene Schönheit, unter den Zuhörern. Sie war schwanger. Während des Treffens, das dann mit den Wortmeldungen einiger besonders tapferer Krieger begann, ging sie mit einigen anderen Frauen zum Waldrand, um Holz für das Große Ratsfeuer zu sammeln. Ohne dass sie es merkte, erschien ein großer Adler über ihr. Er kreiste mit majestätisch ausgebreiteten Schwingen am Himmel und krächzte laut. Tadodaho befahl dem besten Schützen unter seinen Männern, ihn vom Himmel zu holen. Schon mit dem ersten Pfeil traf der Krieger. Der Adler fiel neben Hayenwathas Tochter zu Boden. In ihrem Eifer, die wertvollen Federn aus dem toten Adler zu reißen, stürzten sich mehrere Krieger auf die Beute, übersahen dabei das schwangere Mädchen und trampelten es zu Tode.
Von Schmerz und Trauer gepeinigt, verließ Hayenwatha sein heimatliches Dorf. Ziellos irrte er durch die dunklen Wälder. Als er das Ufer eines stillen Sees erreichte, sah er einige Enten in der leichten Strömung treiben. Sie hoben das Wasser auf wundersame Weise mit ihren Flügeln an, sodass er mit trockenen Mokassins über den Grund laufen konnte. Die Muscheln, die er dabei fand, waren so weiß und schön, dass er einige wie Perlen auf einen Schilfhalm zog. um sich immer an die friedliche Stimmung auf dem See erinnern zu können. Er sagte: »Dies werde ich immer tun, wenn ich um einen mir nahestehenden Menschen trauere.« Dies war der Beginn eines Zeremoniells, das viele Irokesen noch heute beim Tod eines geliebten Menschen durchführen, nur dass die Muscheln oder Perlen auf Lederschnüre gezogen werden.
Mit diesem »Wampum« paddelte Hayenwatha zu den Mohawk. In ihren Jagdgründen traf er Deganawidah, einen Mensch gewordenen Heilgeist der aus dem Himmel gestiegen war, um die Botschaft des Friedens unter den Menschen zu verbreiten. Deganawidah, in der Legende auch »Peacemaker« oder»Friedensstifter« genannt, erkannte den Wampum mit den weißen Muscheln als Friedenssymbol und verbündete sich mit Hayenwatha. Zusammen zogen sie von einem Volk zum anderen und warben mit den weißen Muscheln für einen dauerhaften Frieden. Mit ihren kühnen Visionen von einem Irokesenbund und ihren flammenden Reden überzeugten sie die Mohawk, Oneida, Cayuga und Seneca. Den gefürchteten Tadodaho konnten sie erst überreden, als sie ihm anboten, das Große Ratsfeuer zu entzünden und zu bewachen. »Der Rauch dieses Feuers wird bis zum Himmel emporsteigen und von allen Menschen gesehen werden«. sagte Deganawidah zu dem Häuptling. Er kämmte die Schlangen aus Tadodahas Haaren und setzte ihm ein Hirschgeweih auf, das Zeichen der Häuptlingswürde beim neuen Irokesenbund. Vor dem Dorf pflanzte er eine weiße Kiefer, unter deren Wurzeln sie die Waffen begruben.
Das »Große Gesetz des Friedens«
Das »Große Gesetz des Friedens«, wie die Irokesen ihre Verfassung auch nannten, wurde mündlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben und die Wahrheit mit Wampums beschworen. Vermutlich legte der Onondaga Schriftsteller Seth Newhouse (1842 - 1921) die erste schriftliche Variante der Verfassung nieder. Sie diente auch Arthur C. Parker, einem Archäologen im State Museum des Staates New York, als Vorlage für seine Version, die er am 1. April 1916 veröffentlichte und die heute bei allen Studien und Diskussionen herangezogen wird. Im ersten Artikel heißt es: »Ich bin Dekanawidah und zusammen mit den Häuptlingen der Fünf Nationen pflanze ich den Baum des Großen Friedens.« In Artikel 2: »Wurzeln haben sich vom Baum des Großen Friedens ausgebreitet, eine nach Norden, eine nach Osten,
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