Jeier, Thomas
nach Amerika aus und trat dort der »Gesellschaft Jesu« bei. Sein Wunsch, die Indianer zu missionieren, erfüllte sich im Jahr 1838, als er die Potawatomi am oberen Mississippi im heutigen Michigan zum Christentum bekehrte und sich als einer der ersten Kirchenmänner zu den Sioux wagte. Er vermittelte einen Frieden zwischen den beiden Stämmen und folgte zwei Jahre später dem Ruf der Flathead im fernen Nordwesten, die von den Schwarzkitteln gehört hatten und begierig darauf waren, ihre Geschichten zu hören. Pater de Smet erfüllte ihren Wunsch und gründete die St. Mary's Mission im westlichen Montana. Seine Reise führte ihn 4814 Meilen durch den Westen, wo er auch die Crow und Gros Ventres besuchte und ihnen das Christentum nahebrachte.
Anders als die meisten seiner Glaubensbrüder begegnete Pater de Smet den Indianern auf Augenhöhe. Er respektierte sie als vollwertige Menschen und überzeugte sie durch seine aufrichtige und ehrliche Art. Ihm ging es nicht nur darum, den katholischen Glauben zu verbreiten. Er wollte, dass Weiße und Indianer ihre Streitigkeiten begruben und unter dem Dach der christlichen Kirche friedlich zusammenlebten. Er begleitete zahlreiche Kommissionen der Regierung als Friedensstifter, wohnte den Verhandlungen als Dolmetscher und Berater bei und vertrat die Idee einer friedlichen Koexistenz auch in Washington, D.C. Entsprechend listete er in seinen Aufzeichnungen vor allem die Friedensverhandlungen auf, an denen er aktiv beteiligt war.
Seinen Erfolg bei den Blackfeet, einem bei den weißen Fallenstellern besonders gefürchteten Stamm, hatte er jedoch weniger der Überzeugungskraft der Bibel oder seinen eigenen Worten zu verdanken als einem Missverständnis. Die Blackfeet hielten die christliche Religion für eine Kriegsmedizin, eine geheimnisvolle Kraft, die sie im Kampf gegen ihre Feinde stärken würde. Im Frühling des Jahres 1846 hatten die Crow ein Dorf der Blackfeet überfallen, alle männlichen Bewohner der 50 Tipis getötet und ungefähr 200 Frauen und Kinder in die Gefangenschaft geführt. Im Herbst desselben Jahres gingen die Blackfeet und Flathead gemeinsam auf Büffeljagd. Sie begegneten einer Überzahl von Crow, an denen sie sich jedoch erfolgreich für die erlittene Schmach rächten - was der Flathead-Häuptling Victor auf den Einfluss der Schwarzkittel zurückführte. Die Blackfeet willigten in einen dauerhaften Frieden mit den Flatheads ein und wandten sich ebenfalls der christlichen »Medizin« zu. Am 15. September hielt de Smet eine Messe vor mehreren Tausend Indianern. Dennoch wurden während der folgenden Monate lediglich, vier Krieger getauft. Alle anderen Täuflinge waren Kinder. Man akzeptierte das Christentum als »Medizin«, aber nicht als Religion.
»Native American Church«
Bis heute versuchen Missionare, die Indianer von der Güte des weißen Gottes zu überzeugen. Doch was ist das für ein Gott, so fragen viele, der zuließ, dass hilflose Frauen und Kinder erschossen wurden, und Nationen zwingt, ihre Vergangenheit zu vergessen und allen Zeremonien und Ritualen abzuschwören? Und was ist das für eine Regierung, die heilige Stätten missachtet, indianische Gebeine und zeremonielle Gegenstände in Museen ausstellt und die mit indianischem Blut getränkten Schlachtfelder für Touristen öffnet?
Den einzigen Ausweg sehen viele Indianer in der 1954 gegründeten »Native American Church«, eine allen Doktrinen einer Sekte entsagenden Kirche, die Christentum und traditionelle indianische Glaubensvorstellungen zu einer eigenständigen Religion vereint und den Genuss von Peyote zum Sakrament erhebt. Der kleine Kaktus, schon seit über tausend Jahren bei den Indianern des Rio Grande Valley im Gebrauch, enthält dem Strychnin und Morphium verwandte Substanzen, die den Gläubigen ermöglichen sollen, ihr Bewusstsein zu erweitern und mit Gott in Verbindung zu treten. Seit einem Urteil des »Supreme Court«, dem obersten Gerichtshof Amerikas, im Jahr 1990 bleibt es aber den einzelnen Staaten überlassen, den Gebrauch von Peyote als Sakrament zuzulassen oder zu verbieten.
Die Native American Church propagiert den Zusammenhalt der indianischen Gemeinschaft und legt hohe moralische Maßstäbe an, die sich am christlichen Wertesystem orientieren: Gefordert wird die Selbstversorgung durch Arbeit, der Verzicht auf Alkohol, monogame Beziehungen, Gewaltverzicht und absolute Ehrlichkeit. Während der mitternächtlichen Zeremonie am halbmondförmigen Altar sind indianische
Weitere Kostenlose Bücher