Jeier, Thomas
Selbst ihre Feuerwaffen luden sie im vollen Galopp nach.
In den Wäldern des Ostens, wo die Indianer in ihren wendigen Kanus sehr beweglich waren, veränderten vor allem die Feuerwaffen die Kriegsführung. Die Holländer und später die Engländer handelten im ureigenen Interesse, als sie die Irokesen mit Feuerwaffen ausstatteten und sich gleichzeitig mit ihnen verbündeten, um die von Kanada nach Süden drängenden Franzosen aus dem Land zu vertreiben. Die Irokesen, die ihren Bund gegründet hatten, um unnötiges Blutvergießen untereinander zu vermeiden, gingen wieder auf den Kriegspfad, zogen unter dem Befehl englischer Offiziere in einen europäisch geordneten Krieg, benutzten die neuen Feuerwaffen aber auch, um einen blutigen Vernichtungskrieg gegen die Huronen zu führen und verfeindete Algonkin-Stämme aus dem Ohio Valley zu verdrängen.
Fast zwangsläufig kam es in den Kriegen, in denen Weiße und Indianer auf einer Seite kämpften, zu Missverständnissen und Autoritätsproblemen. Die Indianer verstanden nicht, warum die Engländer und Franzosen in Reih und Glied vorstießen und während einer Schlacht offenen Auges in den Tod marschierten; die Weißen verurteilten das Versteckspiel der Indianer, die einen trickreichen Guerilla-Krieg bevorzugten und keine Schande darin sahen, sich bei offenkundiger Unterlegenheit oder schlechtem Wetter auch mal zurückzuziehen. Genauso sprachlos waren die Europäer angesichts tollkühner Heldentaten, die einen Krieger manchmal willentlich in den sicheren Tod laufen ließen. Ein französischer Soldat notierte: »Sie schleichen sich wie Füchse an, kämpfen wie die Löwen und verschwinden wie die Vögel.« Noch weniger hielten die Weißen von der Mystik, von den Ritualen mit denen sich ein indianischer Krieger auf den Kampf vorbereitete: die aufwändigen Zeremonien, seine Zwiegespräche mit dem Großen Geist, die Kriegsfarbe in seinem Gesicht. Sie vergaßen dabei, welchen Eindruck ihre eigene Theatralik auf die Indianer machen musste: bunte Uniformen, laute Musik, die einem Feind schon lange Zeit zuvor ankündigte, dass man im Anmarsch war.
Auf den Ebenen im Westen ging es aber zunehmend auch bei der US-Armee ohne Aufmarschordnung. Obwohl man dort erst sehr spät erkannte, dass im Kampf gegen die Indianer nicht immer die sonst bewährten Mittel erfolgreich waren. Den jahrelangen Krieg gegen die Apachen unter Geronimo, die in den unzugänglichen Wüstengebieten des Südwestens immer dann auftauchten, wenn man sie am wenigsten erwartete, gewann die Armee erst, als sie abtrünnige Apachen als Scouts einsetzte. Auch die Sioux und Cheyenne konnte sie nur mit Hilfe indianischer Kundschafter aufspüren, die vornehmlich aus den Reihen der mit ihnen verfeindeten Crow und Pawnees stammten. Von ihren Feinden als Verräter beschimpft, betrachteten sie ihre Arbeit für die US-Armee als legitimes Mittel, sich zu wehren und ihre Jagdgründe gegen andere Eroberer zu verteidigen.
Im Kampf der Indianer untereinander, galten auch nach Beginn der Kolonisierung noch die alten Regeln. Wenn ein Europäer einen indianischen Krieger dabei beobachtete, wie er mit einem erhobenen Holzstock auf einen anderen Krieger losging, glaubten sie, dass er zuschlagen und ihn töten wollte. Tatsächlich war er nur darauf aus, einen Coup zu schlagen, den Kontrahenten also lediglich zu berühren, was ehrenvoller war, als ihn zu töten. Die Krieger der Ebenen benutzten dazu einen Coupstock, der meist mit Federn und kleinen Glücksbringern verziert war. Auch mit einem Gewehr, einer Lanze oder den bloßen Händen durfte man einen Feind berühren. Am mutigsten war ein Krieger, der ohne Waffen in den Pulk der Gegenseite ritt, einen Feind berührte und es schaffte, unbeschadet zu seinem Kriegstrupp zurückzukehren. Bei den Comanchen durfte man einen Feind zwei Mal, bei den Cheyenne drei und bei den Crow vier Mal berühren. Nach einem Kampf gab es oft hitzigen Streit darüber, wer einen Feind zuerst berührt hatte. Wer Glück hatte, konnte einen Zeugen benennen. Wer den Stiel der heiligen Pfeife berührte und den Tabak entzündete, verpflichtete sich, die Wahrheit zu sagen, auch wenn er sich selbst schadete.
Skalpieren - eine Erfindung der Weißen ?
Die Behauptung, die Weißen hätten das Skalpieren erfunden und den Indianern beigebracht, ist nur teilweise richtig. Erwähnung findet die grausame Sitte schon im Alten Testament: »Als der erste der Brüder auf diese Weise gestorben war, führten sie den zweiten zur
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