Jeier, Thomas
Sehkraft nachließ und die Zähne ausfielen? Es war besser, einen ruhmreichen Tod zu sterben und als gestandener Krieger auf die andere Seite zu gehen.
Mit ungefähr vierzehn Jahren zog ein junger Mann erstmals in den Krieg. Zunächst durfte er lediglich einfache Aufgaben übernehmen, für die anderen Krieger kochen und während eines Angriffs, der besonders beim Pferdediebstahl zu Fuß erfolgte, die Pferde halten. Der Anführer achtete streng darauf, ihn nicht unnötig Gefahren auszusetzen. Starb ein junger Krieger auf einem seiner ersten Kriegszüge, war das Ansehen des Anführers dahin, folgte ihm kein Krieger mehr auf den Kriegspfad. Wie sehr es einen Jungen nach dem Krieg gelüstete, zeigt der Bericht des Cheyenne Bald Faced Bull von 1920, der bereits als Junge an seinem ersten Kriegszug teilnahm: »Einige Männer zogen auf den Kriegspfad, und ich wollte mit ihnen reiten, aber meine Leute glaubten, dass ich zu jung dafür war. Ich sagte ihnen, dass ich reiten wollte, und sie antworteten: ›Du bist zu jung.‹ Einen Tag, bevor die Männer aufbrachen, holte ich mein Pferd und band es weit entfernt vom Lager im Wald an. Am nächsten Morgen nahm ich meinen Bogen und den Köcher mit Pfeilen und verließ das Dorf zu Fuß. Ich bestieg mein Pferd und folgte dem Trupp. Ich war zehn.«
Die »Lust am Kämpfen« nennt der Archäologe George B. Grinnell, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Cheyenne interviewte, als Hauptmotiv junger Plains-Indianer um in den Krieg zu ziehen, vor allem vor der Ankunft der Weißen. »Ihren Spaß« wollten sie haben, es bereitete ihnen Vergnügen, auf den Kriegspfad zu gehen, weil der Tod eine andere Bedeutung für sie hatte. In ihrem Universum gab es kein jüngstes Gericht, alle Menschen erwartete auf der anderen Seite eine Welt, die unserer ähnelte, nur viel fruchtbarer und ergiebiger war und allen ein erfülltes Leben ermöglichte. Warum sollte man Angst haben, in einen Kampf zu ziehen, wenn nach dem Tod ein Paradies wartete?
Die Hauptgründe für einen kleinen Kriegstrupp waren neben der Hoffnung sich im Kampf beweisen zu können, vor allem Rache für eine Niederlage sowie der Wunsch Pferde zu stehlen, Vorräte zu erbeuten und Gefangene zu machen. Solche Trupps bestanden meist aus 20 bis 25 Kriegern. Der ganze Stamm zog nur in den Krieg und in eine größere Schlacht, wenn das Wohl aller auf dem Spiel stand. Mit der Ankunft der Weißen änderte sich die Kriegsführung der Indianer. Die Spanier brachten die ersten Pferde nach Amerika, die Europäer führten Feuerwaffen ein und schufen Begehrlichkeiten, die eine neue Qualität in der Kriegsführung nach sich zogen. Mit den neuen Waffen konnte man einen Gegner schneller in die Enge treiben, und der Besitz möglichst vieler Waffen machte einen Krieger zu einem reichen und angesehenen Mann. Pferde, Bison- und Biberfelle wurden zur festen Währung.
Pferdediebstahl wurde zum beliebtesten Wettkampf auf den Great-Plains. Von den Weißen oft als Krieg missverstanden, avancierte er bei den Indianern zu einer Art Geschicklichkeitsspiel, bei dem es eher darauf ankam, in ein fremdes Lager einzudringen und mit so vielen Pferden wie möglich ungesehen zu verschwinden. Pferde waren begehrt, nicht nur als Zeichen des Wohlstands. Man brauchte sie für den Krieg und die Jagd. Die Blackfeet suchten in einem Umkreis von tausend Meilen nach Pferden, die Crow rühmten sich, innerhalb eines einzigen Jahres über 5000 Pferde gestohlen und eingefangen zu haben. Innerhalb kurzer Zeit entwickelten sich die Krieger der weiten Ebenen zu erstklassigen Reitern, besonders die Comanchen, die sich um 1700 aus ungeklärten Gründen von den Schoschonen abgespaltet und in den Plains von Texas angesiedelt hatten. Schon im 19. Jahrhundert waren sie als die »beste Kavallerie der Welt« und die »Lords of the Plains« bekannt - anders als die meisten ihrer Nachbarn, die während eines Kampfes in der Regel absaßen und zu Fuß kämpften, sich also eher wie Dragoner verhielten, blieben die Comanchen im Sattel. Sie griffen in vollem Galopp an und waren dafür bekannt, dabei auf eine Seite des Pferdes zu rutschen und unter dem Bauch des Tieres hindurch zu schießen. Die meisten Krieger ritten entweder ohne oder mit leichtem Sattel, benutzten einfaches Zaumzeug, das meist lediglich aus einem aus Büffelhaar geflochtenen Strick bestand, und lenkten die Tiere mit ihren Knien und Fersen. Aus der Ferne hatte es den Anschein, als wären sie mit ihren Pferden verwachsen.
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