Jene Nacht im Fruehling
begann Mike, hielt dann aber verlegen inne, als er Abby laut lachen hörte.
»Und es ist wirklich nicht Ihr junger Mann?« fragte Abby belustigt, während sie zwischen den beiden jungen Leuten hin und her blickte.
Samantha hatte dieser Wortwechsel keineswegs in Verlegenheit gebracht. »Er denkt, ich sei ein vier Jahre altes Kind, und er wäre mein Vormund und Beschützer. Er bekommt schon Anfälle, wenn ich es auch nur wage, allein zum Einkaufen zu gehen.«
Ehe Abby eine Bemerkung machen konnte, sagte Mike leise: »Einer von Docs Männern hat versucht, sie umzubringen.«
Diese Erklärung - dieser eine Satz, der so viel sagte -wischte das Lächeln aus Abbys Gesicht. Einen Moment lang lag sie im Kissen und konzentrierte sich nur darauf, daß sie wieder Luft bekam, während der Zeiger am Apparat wild zwischen den beiden Enden der Skala hin- und herflatterte. Nach einiger Zeit, in der Samantha ihre Hand streichelte und ganz fest hielt, hob Abby wieder den Kopf vom Kissen und sagte leise mit schwacher Stimme: »Ja, das ist Michael Ransome.« Und dann, nach ein paar Atemzügen und um einen heiteren Ton bemüht, erklärte sie: »Ich bin froh, daß ich dieses Rätsel für euch lösen konnte. Maxie starb vor mehr als einem Jahr. Ich habe ja Ihre Postadresse, junger Mann, und ich werde Ihnen den Brief dort hinschicken, in dem mir das Pflegeheim mitteilte, daß sie verschieden sei.« Damit schien sie die Angelegenheit, die die beiden zu ihr gebracht hatten, für beendet zu halten, aber Samantha und Mike benahmen sich so, als hätten sie nicht verstanden, daß sie nun gehen sollten.
»Wie war ihr richtiger Name?« fragte Samantha.
»Maxie Bennett«, gab Abby stirnrunzelnd zurück.
»Ich wünschte, es wäre mir noch vergönnt gewesen, sie kennenzulernen«, sagte Samantha, Abbys Hand streichelnd, während ihr Blick in weite Feme ging. »Großvater Cal und Dad haben mir so viel von ihr erzählt.«
»Cal«, sagte Abby leise, während ein leises entspanntes und friedliches Lächeln nun ihr Stirnrunzeln ablöste. »Maxie sprach oft von ihm. Ging es ihm denn gut, nachdem sie ihn verlassen hatte, oder ist er an einem Ort wie diesem gestorben?«
»Nein«, erwiderte Samantha mit heiterer Stimme, »er blieb bei uns - bei Dad und mir - in diesen beiden letzten Jahren seines Lebens. Ich ging damals zur Schule, und deshalb mußten wir eine Schwester engagieren, die ihn betreute und den Haushalt besorgte.«
»War es eine nette Schwester?«
»Nein, sie war furchtbar, und deswegen machte Großvater Cal ihr auch das Leben schwer.«
Abby lächelte, sagte aber nichts, und so fuhr Samantha fort:
»Sie war eine schrecklich, wichtigtuerische Frau und behandelte Großvater Cal, als wäre er ein dummes Kind. Vermutlich würde er sie gefeuert haben, aber er meinte, indem er ihr alles heimzuzahlen versuchte, was sie ihm antat, lieferte sie ihm immerhin einen Daseinszweck. Er machte schlimme Sachen mit ihr, mischte zum Beispiel Salz in ihr Shampoo, so daß ihr die Augen brannten, wenn sie sich die Haare wusch. Eines Tages, als sie draußen den Rasen mähte, bereitete er eine große Kanne Eistee für sie vor. Nur war es gar kein Eistee, sondern ein sogenannter Long-Island-Tee - ein Gebräu, das zum größten Teil aus Branntwein besteht. Sie trank drei große Gläser davon und lag danach ohnmächtig auf dem Küchenboden. Und Großvater Cal nützte die Zeit, in der sie nicht bei sich war, dazu, ihr den Schnurrbart abzurasieren.«
Da mußten sie beide, Abby und Mike, laut lachen.
Just in diesem Moment kam die Schwester wieder ins Zimmer, die erst Samantha maßregelte, weil sie auf dem Bett saß statt auf dem Stuhl daneben, und dann Abby, weil sie dafür gesorgt hatte, daß der Zeiger auf der Skala so wild ausgeschlagen hatte.
»Sie lieben Patienten, die im Koma liegen«, erklärte Abby. »Das sind die einzigen, die sich strikt an die Hausordnung halten.«
»Aber, aber, Abby, das meinen Sie doch nicht so. Sagen Sie Auf Wiedersehen zu diesen netten Leuten.«
Abby blickte an der ausladenden Gestalt der Schwester vorbei auf Samantha. »Denken Sie elektrolytisch«, flüsterte Samantha, und Abby mußte so heftig grinsen, daß der Zeiger hüpfte. Die Schwester scheuchte sie aus dem Zimmer.
20
»Und wohin bringst du mich jetzt zum Dinner?« fragte Samantha vergnügt, als sie das Pflegeheim verließen. »Ich habe in der Achtundfünfzigsten Straße ein italienisches Restaurant - >Paper Moon< - entdeckt, das mir Arielversprechend aussah.«
Mike
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