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Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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frostig ins Wort, »ich bedanke mich vielmals für Ihr Angebot, aber ich möchte eines von Anfang an klarstellen: Ich bin nicht auf der Suche nach einem Freund, Liebhaber oder Fremdenführer. Ich habe einen Job in dieser Stadt zu erledigen, und wenn ich ihn erfüllt habe, werde ich wieder Weggehen. Ich habe kein Verlangen danach, zwischen dem Jetzt und Dann etwas . . .etwas anzufangen. Haben Sie mich verstanden?«
    Sie mit einer hochgezogenen Braue ansehend, ließ er sie wissen, daß er sie in der Tat verstanden hatte. »Ich begreife vollkommen. Sie wollen nichts mit mir zu tun haben. Schön. Ihre Schlüssel liegen auf der Anrichte in der Küche - einer für die Vordertür und einer für den Sperrriegel in Ihrer Wohnung. Ihr Vater wünschte, daß in seiner Wohnung alle Türen mit den gleichen Schlössern versehen werden, also paßt der zweite Schlüssel auch zu allen Türen.«
    »Danke«, erwiderte sie und ging an ihm vorbei auf den Kücheneingang zu.
    »Samantha«, sagte er, als sie an ihm vorbeiging. »Ich habe eine Bitte.«
    Sie drehte sich nicht um. »Ja, welche?« fragte sie, sich innerlich versteifend.
    »Wir werden uns ja hin und wieder begegnen, wenn wir uns durchs Haus bewegen, besonders in der Küche, und ich hätte sie gern darum gebeten...« Seine Stimme senkte sich. »Wenn Sie spät abends oder am frühen Morgen herunterkommen sollten, dann tragen Sie bitte nicht eines von diesen Dingern mit weißen Spitzen und Rüschen. Ich meine, eines von diesen Sachen, die um Sie herumfließen. Rot oder Schwarz ist okay. Mit Rot oder Schwarz käme ich schon zurecht, und Blau wäre für mich auch kein Problem, aber mit diesen Spitzen wäre ich absolut überfordert.«
    Ohne sich noch einmal umzuschauen, rannte Samantha ins Haus, raffte die Schlüssel von der Anrichte und rannte weiter die Treppen hinauf.

3
    In ihrer ersten Nacht in New York schlief Samantha in einem Bett, das ihr Vater ausgesucht hatte, und das Trauma dieses Tages wurde dadurch etwas gemildert. Doch als sie aufwachte, wurde ihr mit einem Schlag die volle Realität ihrer Lage bewußt, und sie fühlte sich noch schlimmer als beim Zubettgehen. In Louisville, im Haus ihres Vaters, hatte sie sich beschützt gefühlt, aber nun befand sie sich an einem fremden Ort, umgeben von Fremden. Noch nie war sie in ihrem Leben so allein gewesen, nicht wirklich, wahrhaftig allein; denn sie hatte ihre Eltern gehabt, ihren Großvater und dann ihren Ehemann.
    Als sie draußen ein Geräusch hörte, stieg sie aus dem Bett und ging ans Fenster, um in den kleinen Garten hinunterzublicken. Der Mann, ihr Hausherr, goß gerade die Pflanzen in den Beeten, und gerade als Samantha den Vorhang zur Seite schob, drehte er sich um und winkte ihr zu, als hätte er sie gehört. Erschrocken sprang Samantha förmlich vom Fenster weg und schloß rasch die Vorhänge.
    Sie war nicht nur allein, sondern noch dazu von räuberischen Wesen umgeben. Sie sah sich als Schiffbrüchige mit einem Rettungsgürtel um die Taille im Ozean schwimmen, und ein großer Dampfer mit vergnügt lachenden Leuten, die ein Bordfest feierten, zog an ihr vorbei, während sie laut um Hilfe schrie. Aber niemand hörte sie, und die Haie, die sie umkreisten, kamen immer näher. In diesem Moment schienen sie die Gestalt eines gewissen Michael Taggert anzunehmen.
    Nachdem sie geduscht und sich angekleidet hatte, kämmte sie sich das Haar streng aus dem Gesicht und wartete, bis sie die Haustür klappen hörte. Dann erst wagte sie sich ins Erdgeschoß hinunter. Vor der Eingangstür blieb sie eine Weile unschlüssig stehen, weil sie eigentlich nicht auf die Straße hinausgehen wollte. Tatsächlich wünschte sie sich, daß sie das Haus überhaupt nicht verlassen bräuchte, aber sie mußte sich etwas zu essen besorgen und ein Bankkonto eröffnen, damit man ihr Geld aus Kentucky überweisen konnte.
    Wenn sie ehrlich war, hatte sie einen Horror vor New York. Als sie nun durch einen Spalt zwischen den Vorhängen im Türfenster auf die Straße hinaus lugte, gingen ihr alle Geschichten, die sie jemals über diese Stadt gelesen oder gehört hatte, durch den Kopf. New York war sozusagen der Schwarze Mann der Erwachsenen. Wenn in einer anderen amerikanischen Stadt etwas Furchtbares passierte, sagen die Leute dort: »Hier geht es fast schon so schlimm zu wie in New York« oder »Gott sein Dank sind wir hier nicht in New York.« Nun, dies war New York, und sie mußte sich ganz allein auf den Weg durch diese Stadt machen.
    Was passierte,

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