Jene Nacht im Fruehling
»Was für eine Geschichte wollen Sie denn hören? Die von Tom, dem Spanner?«
»Erzählen Sie mir eine von Ihren >Ich-hasse-Männer-und-besonders-den-Ehestand<-Geschichten.«
Sie blinzelte ein paarmal und lachte laut, aber sie brauchte nicht lange, sich auf so eine Geschichte zu besinnen. »Ich habe ein Buch gelesen, in dem die Theorie vertreten wird, daß der Hauptscheidungsgrund in Amerika die Hausarbeit wäre. Die Ehefrauen kämen abends von ihrem Job nach Hause und müßten anschließend noch alle Hausarbeiten verrichten, während ihre Ehemänner die Füße auf den Tisch legten und ihnen nicht dabei hülfen. Der Autor kommt nach jahrelangem Studium der Szene zu dem Ergebnis, daß die moderne Frau einen Mann heiratet, zwei oder drei Kinder bekommt und sich dann scheiden läßt. Die Ehemänner hätten dann ihren Zweck erfüllt und würden nicht länger gebraucht. Also werden sie von den Frauen wieder abgeschafft. Wie die Drohnen in einem Bienenvolk, um einen Vergleich zu wählen.«
»Ich mag ja nicht gern ein Thema zur Sprache bringen, das Ihnen zuwider ist, aber wie steht es mit dem Sex? Sind die Frauen bereit, für den Rest ihres Lebens auf eine sexuelle Befriedigung zu verzichten?«
»Ich habe nicht gesagt, daß die Frauen nun im Zölibat leben würden, und was bedeutet schon Sex im Eheleben? Daß der Ehemann einem das Nachthemd über den Kopf zieht und vier Minuten lang Lärm macht?«
Da öffnete Mike die Augen ein bißchen, blickte sie an und fing an zu lachen. Er lachte so viel und heftig, daß Samantha ihren Platz auf seinem Bett räumte. Aber er faßte nach ihrer Hand und zog sie wieder auf die Bettkante hinunter. Sie blieb dort sitzen - aber sehr steif und abweisend.
»Es freut mich, daß ich etwas zu Ihrer Erheiterung beisteuern konnte«, sagte sie sarkastisch.
»In der Tat«, erwiderte er, »Sie amüsieren mich sehr. Aber ich fange auch an, Sie zu verstehen.«
Sie versuchte, ihm die Hand zu entreißen, doch er hielt sie fest.
»Sie müssen schlafen, und ich muß packen«, sagte sie.
»Packen? Wofür? fragte er.
»Für meine Abreise aus dieser Stadt. Nach dem Besuch bei Barrett morgen. Dann bin ich frei. Haben Sie das vergessen? Oder wollen Sie etwa wortbrüchig werden? Sie geben mir doch mein Erbe frei, oder?«
Nun öffnete er die Augen ganz. »Ja, ich werde Ihnen die Erbschaft freigeben, wenn Sie morgen mit mir zusammen Barrett besuchen. Aber wo wollen Sie denn hingehen, Sam? Haben Sie jemand, der auf Sie aufpaßt?«
Es gelang ihr jetzt, ihm ihre Hand mit einem Ruck zu entreißen. »Ich habe keine Verwandten mehr, wenn Sie das meinen. Ich fürchte, ich bin nicht so mit Verwandtschaft gesegnet gewesen wie Sie, der an jeder Hausecke einem Vetter oder einer Kusine begegnet. Ich ...«
»Ein Fluch«, unterbrach er sie. »Verwandte sind ein Fluch. Sie spionieren einem auf Schritt und Tritt nach.«
Da rutschte sie plötzlich von der Bettkante herunter und funkelte ihn wütend an. »Sie haben keine Ahnung, wovon Sie eigentlich reden! Sie nehmen alles hin, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Sie gehen in einen Laden wie Saks und erwarten, daß Ihre Kusine alles liegen und stehen läßt, um Ihnen behilflich zu sein. Ihr Vetter Raine kam gestern nur in der Absicht hierher, sich davon zu überzeugen, daß ich keine Mitgiftjägerin bin, die Sie um Haus, Hof und Ersparnisse bringt. Ihre Familie sorgt sich um Sie, und ich würde alles dafür geben, wenn ich ...« Sie hielt inne, weil ihr plötzlich bewußt wurde, daß sie ihm zu viel von ihrem Innenleben enthüllte.
»Wofür würden Sie alles geben, Sam?«
»Ich würde alles dafür geben, wenn Sie mich nicht länger Sam nennen würden«, fauchte sie, um ihn von diesem für sie heiklen Thema abzulenken. »Und jetzt sollten Sie schlafen. Morgen besuchen wir dann Ihren Gangster.« Sie drehte sich um und ging zur Tür.
»Worüber haben Sie und mein Vetter gesprochen?« fragte er.
>Über Sie<, hätte sie ihm um ein Haar geantwortet, fing sich aber noch rechtzeitig und sagte: »Oh, worüber man eben so redet - über das Leben, die Liebe und alles, was für einen Menschen eben wichtig ist.«
»Was hat er Ihnen von mir erzählt?« Mikes Stimme wurde schwächer, offenbar war er bereits im Begriff, einzuschlafen.
»Er sagte, daß alle Taggerts doch ziemlich arme Schlucker wären, sich Ihre Familie jedoch durch einen reichen Kindersegen auszeichnen würde und deren Mitglieder durchwegs erfreulich gute Rechner wären.«
Mike lächelte
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