Jene Nacht im Fruehling
daß ich Ihnen erzähle, was in jener Nacht passiert ist?« fragte Barrett.
»Ja, bitte«, erwiderte Samantha, nippte an ihrer Teetasse und bediente sich mit einem Törtchen von der silbernen Platte. »Wenn Sie es uns erzählen möchten und es Sie nicht zu sehr mitnimmt, heißt das.« Sie ignorierte Mikes Fuß, den er auf ihren stellte, um ihr zu signalisieren, daß sie doch mit der Absicht hierhergekommen waren, diese Geschichte von Barrett zu erfahren. Sie würde doch nicht einem neunzig Jahre alten Mann zumuten, einen Schwächeanfall zu bekommen, nur weil Michael Taggert irgendein häßliches Buch über ihn schreiben wollte!
»Es ist mir ein großes Vergnügen, Ihnen die Geschichte jener Nacht erzählen zu können«, erwiderte er und lächelte sie an. Im hellen Sonnenlicht sah er noch älter aus, als er drüben im Wohnzimmer gewirkt hatte, und Samantha hätte ihn am liebsten mit einer Decke auf die Couch verfrachtet, damit er ein kleines Nickerchen halten konnte.
Barrett holte tief Luft und begann:
»Vermutlich ist diese Bezeichnung inzwischen aus der Mode gekommen und mag jetzt ein wenig deplaciert erscheinen - aber ich war ein Gangster. Ich verkaufte Bier und Whisky, als die Regierung den Verkauf und sogar das Trinken von alkoholischen Getränken verboten hatte. Wegen einiger bedauernswerter Begleiterscheinungen dieser illegalen Tätigkeit hatten die Verkäufer von alkoholischen Getränken einen sehr schlechten Ruf.« Er legte eine Pause ein und lächelte Samantha wieder an.
»Ich kann das, was ich tat, heute nicht entschuldigen. Ich war jung und wußte es nicht besser. Ich wußte nur, daß wir uns in der schlimmsten Wirtschaftskrise dieses Jahrhunderts befanden, und während andere Männer ohne Arbeit waren und in den Suppenküchen anstanden, verdiente ich fünfzigtausend Dollar im Jahr. Und für einen Mann, der so verliebt war wie ich damals, war das Geldverdienen wichtig.«
Barrett hielt einen Moment nachdenklich inne.
»Maxie war schön. Nicht auf eine laute, sondern auf eine zurückhaltende, elegante Weise. Sie war einfach hinreißend.« Er sah Samantha mit einem liebenswürdigen Lächeln an. »Wie Sie«, setzte er hinzu und brachte Samantha zum Erröten.
»Egal - Maxie und ich waren seit Monaten ein Paar. Ich hatte sie mindestens hundertmal gebeten, mich zu heiraten, aber sie sagte, das käme nicht in Frage, solange ich auf illegale Weise mein Brot verdiente. Ich wollte dieses Geschäft auch aufgeben, aber es brachte mir zuviel Geld ein, und ich sah nicht, wie ich als Verkäufer von Versicherungen Karriere machen und eine Familie ernähren könnte. Aber dann kam jener Samstagabend, der so viele Leben verändern sollte: der zwölfte Mai neunzehnhundertachtundzwanzig.
Wenn ich heute an diesen Tag zurückdenke, ist es mir unerklärlich, warum ich damals keine Vorahnung hatte von den Dingen, die in jener Nacht passieren sollten. Aber ich hatte keine. Ich fühlte mich großartig. Joe, meine rechte Hand - ein Mann, mit dem ich seit meiner Kindheit befreundet war -, hatte mir die Tageseinnahmen gebracht, und es waren die größten, die wir jemals hatten. Deshalb kaufte ich Maxie ein Paar Ohrringe. Mit Diamanten und Perlen. Nichts Auffälliges, weil Maxie keinen protzigen Schmuck leiden mochte, aber wirklich hübsche Ohrringe.
Ich fuhr zu Jubilees Bar - das war das Lokal, in dem Maxie damals sang - und hatte in diesem Moment das Gefühl, als läge mir die Welt zu Füßen. Ich begab mich sofort zu Maxie in die Garderobe und gab ihr die Ohrringe. Ich dachte, sie würde sich darüber freuen, aber das tat sie nicht. Sie setzte sich auf einen Stuhl und begann zu weinen. Ich hatte keine Ahnung, was sie haben könnte und es dauerte lange, bis ich es aus ihr herausbekam.«
Barretts Stimme wurde leiser, als wäre es nicht einfach für ihn, darüber zu sprechen: »Sie sagte mir, daß sie schwanger sei mit unserem Baby.«
Samantha zog heftig den Atem ein und hätte Barrett jetzt gern mit Fragen bombardiert, wagte aber nicht, ihn zu unterbrechen.
»Maxie war sehr unglücklich darüber, daß sie schwanger war, aber ich freute mich wie ein Schneekönig«, fuhr Barrett fort. »Denn ich wußte, daß sie nun einwilligen mußte, mich zu heiraten. Aber da irrte ich mich. Selbst wenn sie jetzt ein Kind von mir bekommen würde, erklärte sie, wollte sie mich nicht heiraten, solange ich nicht bereit sei, einer ehrlichen Beschäftigung nachzugehen.«
In Barretts Gesicht zeigte sich so etwas, das man bei einem jüngeren
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