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Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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hatte als neue Kleider, stand für ihn fest.
    Was war nur nach dem Tod ihrer Mutter mit ihr geschehen? fragte er sich immer wieder. Was hatte sie aus einem normalen, extrovertierten, kontaktfreudigen Kind, das viele Freundinnen hatte und gern Parties besuchte, in eine junge Frau verwandelt, die sich wochenlang in ihrem Zimmer einsperrte und schlief?
    Nun klammerte sie sich auf eine Weise an ihn, wie er das noch nie bei einem anderen Menschen in dieser Form erlebt oder empfunden hatte. Natürlich hatte sie Angst, und auch jeden Grund dazu. Aber das allein war es nicht.
    Sie klammerte sich an ihn, als würde sie ihn brauchen.
    Vielleicht war es der Wunsch gewesen, seine Heimatstadt zu verlassen, der ihn dazu bewogen hatte, nach New York zu ziehen. Weil er an einem Ort leben wollte, wo er nicht »einer von den Taggerts« war, sondern eine eigenständige Persönlichkeit. Ein Ort, wo er als ein Individuum betrachtet wurde, nicht als Teil eines Rudels.
    Lächelnd strich er jetzt Samantha über die Locken und küßte sie auf die Stirn. Wenn man in einer Familie aufwuchs, die so groß war wie die seine, war das Gefühl, daß man gebraucht wurde, ein sehr seltenes Erlebnis. Schon sehr früh im Leben machte man da die Erfahrung, daß andere da waren, die das machten, was man selbst zu machen versäumt hatte oder nicht hatte machen wollen.
    Wenn man die Pferde nicht fütterte, würde ein anderer das erledigen. Wenn jemand über etwas unglücklich war, gab es mindestens ein Dutzend Leute, die ihn trösteten.
    Soweit er sich erinnern konnte, hatte niemand jemals gesagt: »Das kann nur Mike machen« oder »ich brauche Mike dafür und keinen anderen«. Selbst in der Schule waren die Mädchen ebenso zufrieden gewesen, wenn sie statt seiner einen von seinen Brüdern bekommen hatten.
    Das schien für sie keinen Unterschied zu machen.
    Aber Samantha brauchte ihn, dachte er, und versuchte, sie noch fester an sich zu ziehen. Sie brauchte nicht sein Geld, sie brauchte nicht seinen Körper, sie brauchte ihn.
    Sie mit beiden Armen an sich drückend, dachte er wieder an die Zeit zurück, als er sie noch nicht persönlich gekannt hatte. Damals betrachtete er die Zusage, sie in seinem Haus wohnen zu lassen, als eine eher lästige Verpflichtung. Dann war es eine Weile sein einziges Ziel gewesen, sie in ein Bett zu ziehen, und sie hatte ihn sehr nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß sie daran nicht interessiert sei. Nachdrücklich? Himmel, nein, nicht nur das, sondern auf eine höhnische, häßliche und geradezu beleidigende Weise hatte sie ihm das zu verstehen gegeben. Dann hatte er eine Weile lang jegliches Interesse an ihr verloren und sie in ihrer Wohnung verweilen und schlafen lassen. Er hatte ihr gestattet, zu tun und zu lassen, was sie wollte, bis ihm schließlich Daphne die Augen geöffnet und ihn aufgeklärt hatte, daß Samanthas >Schlaf< keineswegs so harmlos sei, wie er meinte.
    Mike legte die Hand über Samanthas Ohr. Sie war so klein, so hilfsbedürftig und so allein. Vielleicht war es nur Eitelkeit, die ihn so etwas denken ließ, aber er hatte das Gefühl, ihr zweimal das Leben gerettet zu haben - das erstemal, als er sie vor einem >ewigen Schlafs wie Daphne sich ausdrückte, bewahrte, und das zweitemal heute, als er ihre Tür aufbrechen mußte, um zu ihr gelangen zu können. Morgen würde er die Fenster ausmessen für Gitter, die er dort zu ihrem Schutz anbringen lassen wollte.
    »Du wirst bei mir in Sicherheit sein, Baby«, flüsterte er. »Ich werde dafür sorgen, daß du dich hier sicher fühlen kannst.« Und ich werde dich zum Lachen bringen, dachte er. Und ich werde dich dazu bringen, daß du nicht mehr zurückweichst, wenn ich die Hand ausstrecke, um dich zu berühren.
    *
    Es dauerte eine Weile bis Samantha sich soweit in der Gewalt hatte, daß sie nicht mehr am ganzen Körper zitterte, und genügend Luft bekam, daß sie wieder klar denken konnte. Als sie die Augen öffnete, konnte sie durch die offene Schlafzimmer- ihre Wohnungstür erkennen und das Loch darin, wo Mike das Holz hatte herausbrechen müssen, um den Schlüssel von innen erreichen und die Tür aufsperren zu können.
    »Wie. ..«, flüsterte sie, zusammenzuckend bei dem Schmerz, den ihr nur dieses eine Wort in der Kehle verursacht. Sie klammerte sich an ihn, hielt ihn genauso fest wie er sie. Sie wollte nicht an ihre Angst denken - eine Angst, die sie wieder am ganzen Körper zittern ließ.
    »Ich hörte dich«, sagte Mike. »Ich hörte dich an die Wand

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