Jene Nacht im Fruehling
Zettel.
Mike sah aus wie ein Mann, der in eine Falle getappt war. Er legte sich auf das Bett zurück und kniff die Augen so fest zusammen, als habe er schreckliche Qualen zu erdulden. »Samantha«, sagte er müde, und es dämmerte ihr nun, daß er sie nur dann Samantha nannte, wenn er sich über sie ärgerte. »Samantha, das ist kein amüsantes Spiel, sondern die Wirklichkeit. Eine gefährliche Wirklichkeit. Ich hatte ja keine Ahnung, daß sie gefährlich ist, sonst hätte ich dich niemals in diese Sache hineingezogen. Nun kann ich nur noch dafür sorgen, daß du aus dieser Stadt herausgebracht wirst an einen sicheren Ort.«
Wenn Du mir nicht sagst, wer >Half Hand< ist, werde ich meinen Großvater anrufen und ihn danach fragen, schrieb sie.
Mike verlor diesen gequälten Gesichtsausdruck, und nun entdeckte sie echte Angst in seinen Augen. »Du weißt nicht, wovon du redest«, erklärte er in einem so leisen Ton, den ein Mensch zumeist nur dann zu verwenden pflegt, wenn er versucht, nicht zu explodieren. »Du mußt mir schwören, daß du diesen Halunken niemals anrufen wirst.« '
Samantha runzelte die Stirn und schrieb: Er ist mein Großvater!!!
Mike stand vom Bett auf und lief ein paarmal im Zimmer auf und ab. »Sam, ich habe einen Fehler gemacht -einen großen Fehler. Ich habe dir zwar von Anfang an erklärt, daß ich die Bedingungen, die dir dein Vater in seinem Testament auferlegte, für ungerecht halte, und ich hätte tun sollen, was meiner Ansicht nach gerecht gewesen wäre - dir nämlich dein Erbe sofort freizugeben, ohne dich vorher in Barretts Haus mitzunehmen. Aber ich war ja so versessen darauf, ihn kennenzulernen. Seit mehr als zehn Jahren hat ihn niemand mehr gesehen oder sein Haus betreten, und ich ...«
Er brach mitten im Satz ab und wischte sich mit der Hand über die Augen. »Ich weiß nicht, ob Barrett tatsächlich dein Großvater ist oder nicht, aber ich weiß, was für eine Sorte Mensch er ist. Ich habe dir nicht viel von ihm erzählt - ich tat das absichtlich nicht, weil ich fürchtete, du würdest dich sonst weigern, dich mit ihm zu treffen. Ich habe dir aus eigensüchtigen Motiven die Wahrheit über ihn vorenthalten. Und nun muß ich für dieses Versäumnis bezahlen.«
Er entfernte das Tablett von ihrem Schoß, setzte sich wieder aufs Bett und nahm ihre Hand in die seine. »Du wirfst mir ständig vor, daß ich dich belügen würde. Vielleicht habe ich dich belogen, aber aus einem guten Grund, wie ich glaubte.«
Er berührte vorsichtig die blutunterlaufenen Stellen an ihrem Hals. »Du hättest umgebracht werden können heute nacht, und das wäre dann meine Schuld gewesen«, sagte er leise. »Ich hätte dir von Anfang an die Wahrheit sagen und dir sofort nach dem Tod deines Vaters dein Erbe freigeben sollen. Ich hätte nicht einmal zulassen dürfen, daß du hierher nach New York kommst.«
Sie streckte ihre andere Hand aus und suchte die seine, denn er war ehrlich bekümmert über das, was ihr heute nacht beinahe passiert wäre. Als er sie ansah, lächelte sie, aber er erwiderte ihr Lächeln nicht.
»Wenn ich dir nun erzähle, was ich weiß - wirst du dann diese Stadt verlassen? Wirst du mit meinem Vetter mitfahren und dich in den Schutz seiner Familie begeben, bis ich diese Geschichte hier aufgeklärt habe?«
Wie konnte sie ihm so etwas versprechen? Sie wußte doch noch gar nicht, was er ihr erzählen würde. Sie hatte geglaubt, irgendein Einbrecher habe versucht, sie zu töten, doch nun schien es so, als sei dieser maskierte Mann nur mit der Absicht ins Haus gekommen, sie umzubringen. Aber warum ? Was wußte sie, daß er meinte, sie dieses Wissens wegen töten zu müssen?
Als Mike sah, wie sie zögerte, ihm ihr Wort zu geben, konnte er sie verstehen. Vielleicht verdiente er ihr Vertrauen nicht, weil er sie dazu benutzt hatte, sich Zutritt zum Haus eines alten Mannes zu verschaffen. Mike schluckte. Kein Buch auf dieser Welt war so wichtig, daß man seinetwegen das Leben eines Menschen aufs Spiel setzen durfte.
»Als erstes will ich dir die Wahrheit über Barrett erzählen«, sagte er leise. »Ich ... ich möchte, daß du begreifst, was für ein Mensch er ist. Ich will nicht, daß du ihn glorifizierst, Sam, nur weil er vielleicht mit dir verwandt sein könnte. Das ist kein Grund, diesem Mann gottähnliche Eigenschaften anzudichten.«
Seine Lippen wurden schmal, als er sah, wie sie ihren Notizblock zur Hand nahm und wütend etwas hinzukritzeln begann:
Er mag ja in der
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