Jene Nacht im Fruehling

sagenhaften Atlantis. Es gibt eine Menge Leute, die argwöhnen, daß Maxie diese drei Millionen Dollar an sich genommen habe und deswegen in jener Nacht verschwunden sei. Maxie hätte sich schon lange von Doc und seiner Bande trennen wollen und habe hier eine Gelegenheit dazu gesehen und sie genützt. Doc erzählte dir, daß Half Hand eine Kugel in den Kopf bekommen habe und auf der Stelle tot gewesen wäre. Es gibt Leute, die meinen, Half Hand wäre so oft von seinem Vater auf den Kopf geschlagen worden, daß eine Kugel unmöglich ausgereicht haben könnte, seinen Schädel zu durchdringen. Sie behaupten, er habe noch lange genug gelebt, um Maxie sagen zu können, wo er das Geld versteckt hatte.
    Was weder Doc noch Scalpini wußten und was sie erst viele Jahre später erfuhren, war die Tatsache, daß dieses Geld vom FBI markiert worden war. Wenn es nicht in jener Nacht verschwunden wäre, würde derjenige, der es ausgegeben hätte, damit dem FBI den Beweis geliefert haben, den es brauchte, um den Betreffenden zu überführen. Wer das Geld auch immer stahl: Er bewahrte Doc vor einer langjährigen Gefängnisstrafe.«
    Wurde es gefunden ? schrieb Samantha.
    »Gewissermaßen ja«, erwiderte Mike. »Eine Hundert-Dollar-Note von dem geraubten Geld tauchte 1965 in Paris auf.«
    Samantha hatte ihm gespannt zugehört, und als er dieses Datum nannte, schien ein Ruck durch ihren Körper zu gehen.
    »Richtig«, sagte Mike, als sie ihn mit geweiteten Augen ansah, »das war ein Jahr, nachdem deine Großmutter Maxie ihren Mann und ihre Familie verlassen hatte. Siebenunddreißig Jahre nach jenem Massaker, und niemand suchte mehr nach diesem Geld. Die alte Banknote wurde von einem scharfäugigen Angestellten im Schatzamt entdeckt. Nach dieser Entdeckung hielten alle Banken natürlich wieder Ausschau nach weiteren markierten Banknoten, doch es tauchten keine mehr auf. Vielleicht ist die ganze Anstrengung sowieso umsonst gewesen, denn der Angestellte, der diesen markierten Hundert — Dollar — Schein entdeckte, war gerade aus einem halbjährigen Erholungsurlaub zurückgekommen, und deshalb konnte es möglich sein, daß die ganzen drei Milliarden Dollar bereits das Schatzamt passiert hatten, ohne das jemand auf die Markierung der Scheine geachtet hatte.«
    Das war eine solche Flut von Informationen, die Samantha nicht auf einmal verdauen konnte. Deshalb nahm Mike nun das Tablett und ging damit aus dem Zimmer. Als er zurückkam, sagte er, daß sie jetzt schlafen sollte, weil sie sich von diesem schrecklichen Überfall erholen und ihrer Kehle Ruhe gönnen müsse, damit die Blutergüsse dort verheilten. Aber als er die Decke um sie herum feststeckte, hielt er plötzlich mitten in dieser Tätigkeit inne und fragte: »Wann hast du zuletzt geweint?«
    Samantha blickte stirnrunzelnd von ihm weg.
    Sie unter das Kinn fassend, drehte Mike ihren Kopf wieder so weit nach vom, daß sie ihn anschauen mußte. »Ich gehe so lange nicht aus dem Zimmer, bis du mir diese Frage beantwortet hast.« Er reichte ihr den Notizblock und den Bleistift.
    Nach einem wütenden Blick auf ihn schrieb sie: Ich habe an dem Tag geweint, als der Rektor meiner Schule zu mir kam, um mir zu sagen, daß meine Mutter tot sei.

15
    Samantha verließ New York an diesem Nachmittag nicht. Allerdings mußte sie Mike versprechen, ihm zu gehorchen, wenn er ihr erlaubte, noch zwei Tage länger bei ihm zu bleiben - also so lange, wie es nach Blairs Meinung dauern würde, bis ihre Kehle soweit verheilt war, daß sie wieder richtig sprechen konnte. Sie hatte ihm dieses Versprechen gegeben, weil sie einen Entschluß fassen mußte und sicher war, daß ihr das eher in einer ihr vertrauten Umgebung gelingen würde.
    Mike war nicht leicht zu überreden gewesen, weil er sie aus der Stadt haben, sie an einem sicheren Ort wissen wollte. Er wollte nicht, daß sie noch irgend etwas mit Doc oder Maxie oder dem Material zu tun haben sollte, das er zusammengetragen hatte. Samantha fragte auf einem Zettel, ob er noch immer beabsichtigte, die Biographie zu schreiben. Als Mike diese Frage bejahte, unterließ es Samantha, ihn darauf hinzuweisen, daß er genauso in Lebensgefahr schweben würde wie sie selbst, weil man davon ausgehen würde, er wisse ebenso wie sie, wo das Geld von Half Hand geblieben war. Sie machte auch keine Bemerkung darüber, daß es sich hier um ihre und nicht um seine Großmutter handelte.
    Sie wollte einfach Mikes Haus nicht verlassen, wollte nicht zu einem anderen Mann in einen