jennissimo (German Edition)
„Für jeden bedeutet normal etwas anderes. Was bedeutet es für dich?“
Jenna hätte eigentlich viel lieber über Violet gesprochen als über sich selbst. „Ganz normale Highschool-Erfahrungen. Ich habe viel Spaß gehabt und jede Menge Angst. Danach College, Studentenvereinigung, ich wusste nicht, welches Hauptfach ich wählen wollte. Irgendwie hat mich nichts so richtig angesprochen.“ Sie runzelte die Stirn. „Geisteswissenschaften haben mich gelangweilt. Im zweiten Jahr habe ich mehr Zeit in der Küche verbracht also sonst wo. In diesem Sommer sprach ich mit meinen Eltern über meine Zukunft. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.“ Sie lächelte. „Mein Vater war es dann, der mir vorgeschlagen hat, die Culinary School zu besuchen.“
„Kluger Mann!“
„Das ist er. Ich war total erstaunt, aber es fühlte sich richtig an. Also ging ich nach Dallas und fand heraus, dass ich für mein Leben gern kochte. Der Unterricht war toll. Ich habe sogar noch ein Extrasemester draufgelegt, um mehr zu lernen.Als ich meinen Abschluss hatte, wurden mir sofort verschiedene Stellen angeboten. Ich nahm die in Phoenix an – vor allem, weil ich mal woanders leben wollte. Und dort habe ich Aaron kennengelernt.“
„Wie ist er so?“
„Sehr charmant“, gab sie zu. „Er ist jemand, der in einen Raum kommt und genau weiß, was er zu jedem sagen muss. Sehr überzeugend. Ich habe mich in seiner Nähe sehr wohlgefühlt, aber zugleich auch irgendwie anders als sonst. Ich kann das nicht richtig erklären.“
„Irgendwie kleiner?“
Jenna überlegte. „Ja. Das ist es. Ich habe mich kleiner gefühlt als davor. Im Nachhinein ist mir klar, dass er gar nicht so brillant war, wie er uns glauben machte. Jahrelang habe ich mir eingeredet, dass ich es mit ihm nicht aufnehmen kann. Ich schätze, da habe ich schon angefangen, mich selbst herabzusetzen.“ Sie schwieg einen Moment. „Früher einmal hatte ich wirklich unendlich viele Ideen. Aber Aaron hat sie auseinandergenommen und mir das Gefühl gegeben, dass sie nichts wert sind. Nur um sie dann, wenige Wochen später, auf sie Speisekarte zu setzen. Wenn ich ihn darauf ansprach, sagte er, dass er bestimmte Veränderungen vorgenommen und die Gerichte verbessert hätte.“ Sie kniff die Lippen zusammen. „Entschuldigung, das willst du gar nicht wissen.“
„Doch. Das klingt alles sehr logisch.“
„Du meinst, es erklärt, warum ich nicht bereit bin, etwas zu tun, ohne vorher Listen und Pläne geschrieben zu haben? Ich fühle mich sicherer, wenn alles seine Ordnung hat. Aber das war nicht immer so.“
Violet musterte sie über den Rand ihres Margaritaglases hinweg. „Versteh mich nicht falsch, aber ich glaube nicht, dass du damit angefangen hast. Ich wette, es war Aaron.“
„Er wollte, dass ich ihm unterlegen bin“, sagte sie.
„Vielleicht hatte er Angst vor dir.“
„Aaron hat vor nichts Angst.“
„Jeder Mensch hat vor irgendetwas Angst.“ Violet sprach mit einer Überzeugung in der Stimme, um die Jenna sie beneidete. „Wenn ein Typ vorgibt, keine Angst zu haben, dann tut er nur so. Glaub mir. Ich kenne mich mit miesen Typen aus. Zeig mir einen netten Kerl, der mit mir ausgehen und mich gut behandeln will, schon fange ich an zu gähnen. Aber es brauchen nur ein paar Versager in der Nähe zu sein, schon kann ich es gar nicht erwarten, sie kennenzulernen.“
„Das ist schlecht“, sagte Jenna.
„Sag bloß! Ich kenne eine ganze Reihe von wunderbaren Männern, die mich nicht im Geringsten interessieren. Wenn du für eine Affäre offen bist, kann ich dir ein paar Dutzend empfehlen.“
Jenna lachte. „Ich bin nicht der Affärentyp.“
„Aber sicher. Jeder ist das. Das gehört dazu. Du hast eine Beziehung hinter dir und wirst irgendwann die nächste anfangen. Eine Affäre gibt dir Selbstvertrauen.“
„Und was hat der Typ davon?“
„Sex mit minimalem Aufwand. Typen lieben das.“
Jenna rutschte auf ihrem Stuhl herum. „Männer sind noch nie verrückt nach mir gewesen. Vielleicht wäre eine Affäre den ganzen Aufwand gar nicht wert.“
Violet hob ihre dunklen Augenbrauen. „Hast du in letzter Zeit eigentlich mal in den Spiegel geschaut? Ist nicht mehr Aufwand, als einen kurzen Rock anzuziehen und zu lächeln.“
Schön wär’s, dachte Jenna. „Ich bin in solchen Dingen nicht sonderlich geschickt.“
„Das bezweifle ich, aber selbst wenn es stimmen sollte, spielt es keine Rolle. Bei einer Affäre geht es nur darum, Spaß zu haben. Rauszugehen und
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