jennissimo (German Edition)
breite Schultern und wirkte völlig normal. Überhaupt nicht ihr Typ.
Unter anderen Umständen hätte sie sich jetzt freundlich verabschiedet, doch sie war es leid, immer wieder denselben Fehler zu machen. Jeder Mann in ihrem Leben hatte sich irgendwann als Katastrophe herausgestellt, was wohl daran lag, dass ihre Instinkte komplett versagten, wenn es um Männer ging.
Dieses eine Mal wollte sie ihr Desinteresse einfach ignorieren und herausfinden, was dieser nette Typ zu sagen hatte. Jedenfalls würde er bestimmt nicht ihre Kreditkarte klauen, auf ihren Namen ein Auto kaufen und dann vergessen, die Raten zu bezahlen.
„Das mit den Oliven kann kompliziert sein“, sagte sie und stellte ihren Einkaufswagen so an die Seite, dass die anderen Kunden vorbeikamen. „Und wenn das Öl auch noch kompliziert ist, dann sitzen Sie wirklich in der Tinte.“
Er lachte. Sein Lachen war angenehm. Unbeschwert. Als wäre er ein Mann, der viel lachte.
„Ich heiße Cliff.“ Er streckte ihr die Hand hin.
„Violet.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Violet.“
„Mich auch.“ Sie wusste nicht, was sie als Nächstes sagen sollte.
Cliff lächelte sie weiter an, als wäre sie der Lichtblick seines Tages. „Ich arbeite in der Finanzbranche, was aufregender klingt, als es ist. Ich bin jetzt seit fünf Monaten in der Stadt, und die einzigen Leute, die ich kenne, sind meine Kollegen. Ich arbeiteachtzig Stunden die Woche, weil ich nicht weiß, was ich mit meiner freien Zeit anfangen soll. Würden Sie mit mir zu Abend essen?“
Nett, dachte sie. Der Mann war nett. Und sie war, selbstverständlich, noch immer nicht interessiert.
„Danke, aber nein.“
Er sah in ihre Augen. „Ich weiß – einen Typen in einem Supermarkt kennenzulernen ist auch nicht besser als in einer Bar. Ich meine, Sie wissen schließlich überhaupt nichts über mich, richtig? Es wäre ziemlich unvorsichtig, mir Ihre Telefonnummer zu geben. Deswegen – nehmen Sie bitte meine Karte.“ Er zog eine Visitenkarte aus der Jackentasche. „Da steht meine Büronummer drauf und auch meine Handynummer. Wie wäre es mit nächstem Dienstag?“
„Ich bin nicht oft in Austin. Ich wohne in Georgetown“, sagte sie, ohne darüber nachzudenken.
„Ist auch gut. Wie wäre es mit dem Wildfire? Das ist direkt neben dem Palace Theater. Wissen Sie was? Ich werde einfach um neunzehn Uhr dort sein und hoffen, dass Sie kommen.“
Er hielt ihr die Visitenkarte so lange hin, bis sie sie nahm.
„Ich bin ein netter Kerl“, erklärte er ihr. „Da können Sie jeden in meinem Büro fragen.“
Sie betrachtete die Karte. Der Firmenname sagte ihr etwas, und die Adresse befand sich in einem bekannten Hochhaus in Austin. Offenbar hatte Cliff nicht nur wirklich einen Job, sondern auch noch einen guten.
Als sie wieder aufsah, musste sie feststellen, dass er sich umgedreht hatte und bereits den Gang hinunterging. Ohne sich noch einmal umzusehen, bog er um die Ecke.
Wahrscheinlich ist er wirklich ein netter Kerl, dachte sie, während sie seine Karte in die Gesäßtasche ihrer Jeans steckte. Frauen wie Jenna waren es wahrscheinlich gewohnt, gut behandelt zu werden. Sie wussten nicht, wie hässlich die Welt in Wahrheit sein konnte. Aber Violet wusste es.
Sie hatte keine Lust mehr auf irgendwelche Versager, bei denenihr Herz höher schlug. Auf Vollidioten, die sie verletzten, entweder körperlich oder seelisch. Wenn sie sich Jenna so betrachtete, kam ihr „normal“ auf einmal verdammt erstrebenswert vor. Vielleicht war es höchste Zeit, „normal“ selbst einmal auszuprobieren.
5. KAPITEL
D erart viele Schmetterlinge im Bauch hatte Jenna das letzte Mal bei ihrer Hochzeit gehabt. Sie konnte wirklich nur hoffen, dass die Sache mit dem Laden ein glücklicheres Ende fand. Nervös betrachtete sie die Kekse im Backofen. In der Sekunde, in der der Laden aufmachte, sollte das Essen fertig sein.
Während sie wartete, sah sie sich um. Violet und sie hatten die Regale neu geordnet und das Schaufenster umdekoriert. Von der strengen Ordnung, die sie so mochte, war nicht mehr viel übrig, jetzt herrschte ein buntes, fröhliches Durcheinander. Küchentücher steckten in Rührschüsseln, große Becher schmiegten sich an die eleganten Kaffeemaschinen.
Die Homepage funktionierte, die Annoncen waren in den lokalen Zeitungen erschienen, und Violet hatte ihnen sogar ein Interview besorgt.
Jenna schaute nach den Keksen, dann betrachtete sie den Kursplan, den sie auf die riesige Wandtafel gemalt
Weitere Kostenlose Bücher