jennissimo (German Edition)
hatten. Das Angebot reichte von Kochkursen für Mütter am Montagvormittag bis hin zu Single-Kochkursen am Freitagabend. Fremde Menschen würden in ihre perfekte Küche einfallen, und sie fand das nicht einmal schlimm.
Noch überraschender aber war, dass sie überhaupt etwas Neues versuchte. Mit Bio-Nahrung für Babys kannte sie sich eigentlich überhaupt nicht aus, und bei dem Gedanken daran wurde ihr vor Angst fast schlecht. Nun, zumindest war ein achtzehn Monate altes Baby bestimmt nicht so kritisch wie Aaron.
Sie sagte sich immer wieder, dass es gut war, einmal nicht alles kontrollieren zu wollen. Oder dass es gut werden konnte, sobald sie sich einmal daran gewöhnt hatte und nicht mehr schon allein bei der Vorstellung fast ohnmächtig wurde. In den letzten Jahren hatte sie einen regelrechten Kontrollzwang entwickelt, vielleicht, um nicht zu spüren, wie sehr ihre eigene Ehe außer Kontrolle geraten war.
Jenna öffnete die Ofentür. Gerade als sie das Backblech herauszog, klingelte der Wecker. Violet stöhnte: „Was ist das? Das duftet köstlich.“
„Brownies mit geschmolzener Schokolade in der Mitte.“
„Ich werde allein durch die Arbeit hier ein paar Kilo zunehmen.“
„Wenn ich meinen Job richtig mache.“
Violet grinste. „Sag mir Bescheid, wenn sie abgekühlt sind. Ich muss sie probieren, nur um sicherzustellen, dass sie auch schmecken. Aus Marketinggründen.“
Jenna lachte. „Danke. Wir wollen doch nicht riskieren, den Kunden was anzubieten, das nicht schmeckt.“
„Ganz genau.“
Jenna schob das zweite Blech in den Ofen und schloss die Tür. Nach exakt zwei Minuten nahm sie die Brownies vom ersten Blech und legte sie zum Abkühlen auf ein Gitter. Sie sah auf die Uhr. In weniger als fünf Minuten begann die feierliche Eröffnung.
Und wenn niemand kam? Wenn all die Veränderungen gar nichts bewirkten? Wenn sie wieder keinen Erfolg hatte?
Am liebsten hätte sie mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen, um dieses Gedankenkarussell endlich anzuhalten. Stattdessen zwang sie sich, tief und ruhig zu atmen. Alles wird gut, sagte sie sich. Sie hatte die richtige Entscheidung getroffen. Der Laden diente nicht länger dazu, ihr zu gefallen, sondern dazu, die Kunden glücklich zu machen. Auf einem Tisch neben der Kasse standen fünfzig bunte Papiertüten, die Violet in einem Billigladen erstanden hatte. Darin steckten Rezeptkarten und die bereits abgewogenen Zutaten für die Brownies. Das Einzige, was noch fehlte, waren Butter und Eier.
Neben den Tüten, den aufgestapelten Rührschüsseln, Backblechen und Kuchengittern lagen die ausgedruckten Termine für die Kochkurse der nächsten vierzehn Tage. Später in der Woche wollten einige Mitglieder der Handelskammer von Georgetown zum feierlichen Durchschneiden des Bandes vorbeikommen.
Sie hatten getan, was sie konnten. Was jetzt geschah, lag nicht mehr in ihrer Hand.
„Es ist so weit“, sagte Violet und steuerte auf die Tür zu. „Oh.“
„Was ist?“
„Da warten ja schon Leute draußen! Ist mir gar nicht aufgefallen.“
Da warteten Leute? Kunden, um genau zu sein? Jenna ging nach vorn, und tatsächlich, fünf oder sechs Frauen standen vor der Tür. Kaum hatte Violet aufgeschlossen, als sie auch schon hereinkamen.
Einige von ihnen hatten Flyer oder Gutscheine in der Hand. Sie sahen sich neugierig um. Eine ältere Dame seufzte auf.
„Was backen Sie da?“, fragte sie. „Das duftet herrlich!“
Jenna lächelte. „Brownies. Ich habe gerade welche frisch aus dem Ofen geholt. Probieren Sie mal!“
Sie reichte ein Tablett herum.
„Haben Sie vielleicht das Rezept?“, fragte eine andere Frau. „Ich bin ja sowieso da, um mich für den Backkurs anzumelden. Die schmecken fantastisch!“
„Wir haben Rezeptkarten“, sagte Jenna und hatte das Gefühl, die Frau zu kennen. Vielleicht eine ehemalige Lehrerin aus der Grundschule.
„Wir haben auch die Zutaten für Sie zusammengestellt, falls Sie die Brownies zu Hause selbst backen möchten“, fügte sie hinzu. „Sie brauchen nur noch Eier und Butter, alles andere ist vorbereitet.“
Violet kam mit einigen der Papiertüten herüber.
„Wie clever“, sagte ein Kunde. „Ich hätte gern eine.“
„Ich auch.“
Die dritte Frau beäugte Jenna. „Diese Schürze ist toll. Verkaufen Sie die auch?“
Um achtzehn Uhr taten Jenna Füße und Rücken weh. Außerdem fühlte sie eine seltsame Spannung im Gesicht, die vom stundenlangenLächeln herrührte. Mit all dem kann ich aber sehr gut leben,
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