Jenny heftig in Noeten
lassen. Dennoch kann man nie wissen, ob einen an einem Samstag im Juni ein perfekter Frühlingstag erwartet – mit Temperaturen um die 20 Grad, einer warme Brise, die den Duft von Geißblatt überallhin trägt, einem wolkenlosen blauen Himmel und Blätterrauschen in grünen Baumwipfeln – oder ein grauer, stürmischer Tag mit Temperaturen um die 15 Grad, an dem man sich in den Sandalen, die man tags zuvor noch problemlos getragen hat, die Zehen abfriert.
Der Samstag, an dem das Troubadour-Autowaschen stattfand, war allerdings schon ein ausgewachsener Sommertag. Um zehn Uhr morgens zeigte das Thermometer bereits 26 Grad an. Trina rief an, um anzukündigen: »Ich zieh meinen Badeanzug und Shorts an und dasselbe rate ich dir auch.«
Ich versprach es ihr, aber nur, um sie abzuwimmeln. Sie hatte mich am Abend zuvor schon wahnsinnig gemacht mit ihrer ständigen Fragerei, ob Luke wohl auch zum Autowaschen kommen würde. Tatsache war, dass ich dringend einen Luke-freien Tag benötigte. Luke war nett, keine Frage (und natürlich auch sehr nett anzusehen), aber ein Mädchen braucht auch mal eine Pause zum Durchatmen. Als Trina und Steve mich am Freitag nach der Schule zu Hause absetzten, war ich fertig mit den Nerven, weil
a) ich ständig wie ein Schießhund aufpassen musste, damit niemand herausfand, dass Lucas Smith mitnichten ein neuer Schüler war, sondern Luke Striker;
b) ich seit der Cara-und-Betty-Ann-Sache das Gefühl hatte, Luke davon überzeugen zu müssen, dass nicht alle Schüler der Clayton Highschool teuflische Sadisten sind;
c) ich es schaffen musste, Trina bei »All that Jazz« rechtzeitig ihren Hut zu geben, vom Armschwenken ganz zu schweigen;
d) ich ja auch meine anderen Verpflichtungen nicht vernachlässigen durfte, als da wären (u. a.): »Fragt Annie«, Mathe, Cara davor zu bewahren, Selbstmord zu begehen, etc. …
Kurzum: Ich war ein seelisches und körperliches Wrack.
Deshalb empfand ich es auch als echte Erleichterung, abends babysitten zu dürfen. Ich genoss es geradezu, sieben Millionen Mal hintereinander »Hasenrennen« zu spielen.
Ich kann also nicht behaupten, dass ich mich sonderlich auf den Autowaschtag gefreut hätte. Normalerweise gehen Trina und ich samstags zumindest für ein paar Stunden in die Stadt, wo wir zwischen den Buchregalen bei Barne’s & Noble unweigerlich ein paar Bekannte treffen (Geri Lynn und Scott zum Beispiel) und dann jedes Mal lange Gespräche über die Neuzugänge in der SciFi-Abteilung führen. Scott und ich, meine ich. Geri Lynn und Trina schlendern meistens nach einer Weile weg und blättern in den Zeitschriften.
Die Aussicht, den Nachmittag stattdessen mit meinen Kollegen von den Troubadours zu verbringen, fand ich nicht so spannend. Was nicht heißen soll, dass ich sie nicht mag. Ich finde die anderen Mädels mit den Altstimmen schon sehr nett: Die lange Kim, die pummelige Deb, die schüchterne Audrey, die knallharte Brenda und die gelangweilte Liz sind wie eine Familie für mich. Das La-la-la-Gesinge auf dem hohen C hat uns fest zusammengeschweißt.
Aber die übrigen Mitglieder der Leprakolonie, wie Trina sie gern nennt (was sie mir natürlich erst verriet, nachdem sie mich zum Mitmachen überredet hatte), sind manchmal ganz schön nervig – vor allem die Sopranistinnen. Sie vergöttern Mr Hall und tun alles für ihn… ein bisschen wie die Klonkrieger aus »Krieg der Sterne II«.
Und die Tenöre können einem auch auf den Keks gehen. Die meisten sind Neunt- oder Zehntklässler und wie Jungs in dem Alter sind, ist ja allgemein bekannt. Ihre Welt besteht aus Furz-Witzen und Limp Biskit. Das ist auch bei Jungs, die freiwillig im Chor sind, nicht anders.
Aber ich hatte sowieso keine Wahl. Ich musste hingehen. Dank Trina.
Zum Glück wusste ich, dass ich es nur noch ein paar Wochen mit den Troubadours aushalten musste, dann waren Ferien. Und eines stand für mich fest: Trina konnte mir Druck machen, so viel sie wollte – nächstes Jahr würde der Chor ohne mich singen.
Obwohl mir eine Menge Dinge einfielen, die ich lieber gemacht hätte, als mit den Troubadours Autos zu waschen (zum Beispiel mit ein paar Vierjährigen nett »Hasenrennen« zu spielen), machte es das schöne Wetter etwas erträglicher. Trina und ich konnten die Gelegenheit zum Braunwerden nutzen (ich mithilfe einer Sonnenmilch mit LSF 30, weil ich mit meinem hellen Mädchen-von-nebenan-Teint eher brutzle als bräune), weshalb der Tag nicht komplett versaut war.
Dachte ich zumindest.
Mr
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